Das Rad der Zeit 12. Das Original: Sturm der Finsternis (German Edition)
verhalten hatten …
Stirnrunzelnd ging Nynaeve in die andere Richtung und nickte den Mauerwächtern zu. Cadsuanes Nicken würde kaum ein Zeichen des Respekts gewesen sein. Dafür war die Frau viel zu selbstgerecht und arrogant.
Was sollte sie bloß mit Rand machen? Er lehnte ihre Hilfe ab – und die eines jeden anderen –, aber das war nichts Neues. Er war genauso stur wie ein Schafhirte in den Zwei Flüssen, und sein Vater war beinahe genauso schlimm gewesen. Aber das hatte Nynaeve, die Dorfheilerin nie aufgehalten, also würde es Nynaeve die Aes Sedai erst recht nicht aufhalten. Sie hatte Coplins und Congars niedergerungen; sie konnte das Gleiche bei Rand al’Thor schaffen. Sie verspürte nicht übel Lust, zu seinem neuen »Palast« zu gehen und ihm gehörig die Meinung zu sagen.
Nur … Rand al’Thor war kein Coplin oder Congar. Sture Leute in den Zwei Flüssen hatten nicht Rands seltsam bedrohliche Aura gehabt.
Gefährliche Männer waren nichts Neues für sie. Ihr geliebter Lan war so gefährlich wie ein Wolf auf der Jagd und konnte ebenso kratzbürstig sein, selbst wenn er gut darin war, es vor den meisten Leuten zu verbergen. Aber so bedrohlich und einschüchternd Lan auch sein konnte, er würde sich eher die Hand abhacken, als sie gegen sie zu erheben.
Rand war da anders. Nynaeve erreichte die Treppe, die von der Mauer in die Stadt führte, und stieg sie hinunter, winkte ab, als einer der Wächter vorschlug, sie zu eskortieren. Es war Nacht, und es trieben sich viele Flüchtlinge herum, aber sie war alles andere als hilflos. Allerdings akzeptierte sie von einem anderen Wächter eine Laterne. Mit der Einen Macht Licht zu machen würde den Passanten Unbehagen bereiten.
Rand. Einst hätte sie ihn genauso sanft wie Lan gehalten. Seine Hingabe, Frauen zu beschützen, war in ihrer Unschuld schon beinahe lächerlich gewesen. Diesen Rand gab es nicht mehr. Nynaeve sah wieder den Augenblick vor sich, in dem er Cadsuane verbannt hatte. Sie war fest davon überzeugt gewesen, dass er sie tatsächlich umbringen würde, sollte er jemals wieder ihr Gesicht sehen, und an diesen Augenblick zu denken bereitete ihr noch immer eine Gänsehaut. Sicherlich hatte sie sich das nur eingebildet, aber in diesem Moment schien es in dem Raum dunkler geworden zu sein, als hätte eine Wolke die Sonne verhüllt.
Rand al’Thor war unberechenbar geworden. Sein wütender Gefühlsausbruch ein paar Tage zuvor ihr gegenüber war nur ein weiteres Beispiel gewesen. Natürlich würde er sie nie ins Exil schicken oder bedrohen, ganz egal, was er auch gesagt hatte. So versteinert war er nicht. Oder doch?
Sie schritt von der letzten Steinstufe auf den hölzernen Bürgersteig, der vom Schlamm des Abendverkehrs beschmutzt war. Zu beiden Seiten der Straße drängten sich Menschen. Ladeneingänge und Gassen boten Schutz vor dem Wind.
In der Ferne irgendwo zwischen Flüchtlingen hustete ein Kind. Nynaeve erstarrte, dann hörte sie das Husten erneut. Es klang sehr tief. Vor sich hin murmelnd überquerte sie die Straße, dann bahnte sie sich einen Weg durch die Flüchtlinge und hob die Laterne, um eine Gruppe müder Leute nach der anderen anzuleuchten. Viele wiesen die kupferfarbene Haut der Domani auf, aber es waren auch viele Taraboner dabei. Und waren das … Saldaeaner? Das kam unerwartet.
Die meisten Flüchtlinge lagen auf zerlumpten Decken, neben sich ihre dürftigen Habseligkeiten. Hier ein Topf, dort eine Decke. Ein kleines Mädchen hielt eine Stoffpuppe, die einst bestimmt hübsch gewesen war, der nun aber ein Arm fehlte. Zweifellos war Rand effektiv darin, Länder zu unterwerfen, aber seine Königreiche brauchten mehr als Lebensmittelzuteilungen. Sie brauchten Stabilität, und sie brauchten etwas – jemand –, an den sie glauben konnten. Rand wurde zusehends schlechter darin, beides anzubieten.
Wo war das Husten hergekommen? Nur wenige der Flüchtlinge sprachen mit ihr, und sie antworteten nur zögernd auf ihre Fragen. Als sie den Jungen endlich fand, war sie mehr als nur etwas verärgert. Seine Eltern hatten ihre Betten zwischen zwei Holzgeschäften aufgeschlagen, und als Nynaeve näher kam, stand der Vater auf, um sich ihr entgegenzustellen. Er war ein verwahrloster Domani mit einem schwarzen struppigen Vollbart, der einst möglicherweise nach der herrschenden Mode gestutzt gewesen war. Er trug keinen Mantel, und das Hemd bestand fast nur noch aus Lumpen.
Nynaeve starrte ihn mit einem Blick nieder, den sie lange vor ihren
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