Das Rad der Zeit 12. Das Original: Sturm der Finsternis (German Edition)
setzte sie sich energisch und mit rauschendem gelben Rock in Bewegung. Die Machtlenkerinnen würden entweder Aes Sedai oder Weise Frauen sein. Bald sah sie ein größeres Aiel-Zelt an der Ecke des Rasens. Sie ging direkt darauf zu, und ihr Blick – oder vielleicht ihr Ruf – sorgte dafür, dass ihr die saldaeanischen Soldaten den Weg frei machten. Die Töchter, die den Eingang bewachten, versuchten nicht, sie aufzuhalten.
Rand trug Schwarz und Rot. Er blätterte auf einem stabilen Holztisch Karten durch, den linken Arm auf dem Rücken gehalten. Bashere stand neben ihm, nickte und studierte eine kleine Karte, die er vor sich hielt.
Als sie eintrat, schaute Rand auf. Wann hatte er angefangen, so sehr einem Behüter zu ähneln, dieser schnelle abschätzende Blick? Diese Augen, die jede Drohung erkannten, diese Anspannung, als würde er jeden Moment einen Angriff erwarten? Ich hätte niemals zulassen dürfen, dass ihn diese Frau aus den Zwei Flüssen holt, dachte sie. Was hat das nur aus ihm gemacht!
Ihre törichten Gedanken ließen sie sofort die Stirn runzeln. Wäre Rand in den Zwei Flüssen geblieben, hätte er den Verstand verloren und sie vielleicht alle vernichtet – immer natürlich unter der Voraussetzung, dass das nicht die Trollocs, die Blassen oder die Verlorenen selbst vorher erledigt hätten. Wäre Moiraine nicht zu Rand gekommen, wäre er jetzt tot. Und mit ihm wäre das Licht und die Hoffnung der Welt erloschen. Es fiel ihr einfach nur schwer, die alten Vorurteile abzustreifen.
»Ah, Nynaeve«, sagte Rand, entspannte sich und wandte sich wieder den Karten zu. Er bedeutete Bashere, sich eine genauer anzusehen, dann drehte er sich wieder zu ihr um. »Ich wollte gerade nach dir schicken. Rhuarc und Bael sind hier.«
Nynaeve hob eine Braue und verschränkte die Arme. »Ach?«, fragte sie tonlos. »Und ich hatte schon angenommen, dass die ganzen Aiel im Lager bedeuten, dass wir von den Shaido angegriffen werden.«
Seine Miene verhärtete sich bei ihrem Tonfall, und seine Augen funkelten … gefährlich. Aber dann hellten sich seine Züge wieder auf, und er schüttelte den Kopf, als wollte er ihn klar bekommen. Etwas von dem alten Rand – der Rand, der ein unschuldiger Schafhirte gewesen war – schien zurückzukehren. »Ja, das wäre dir natürlich aufgefallen«, sagte er. »Ich bin froh, dass du da bist. Wir fangen an, sobald die Clanhäuptlinge zurückkehren. Ich habe darauf bestanden, dass sie erst ihre Leute unterbringen, bevor wir reden.«
Er bedeutete ihr Platz zu nehmen; Kissen lagen auf dem Boden, Stühle gab es keine. Aiel hielten nichts davon, und Rand würde wollen, dass sie sich wohlfühlten. Sie betrachtete ihn, überrascht, wie angespannt ihre eigenen Nerven waren. Er war nur ein wollköpfiger Dorfbewohner, ganz egal, wie viel Einfluss er nun auch hatte. Das war er.
Aber sie konnte diesen Ausdruck in seinen Augen nicht vergessen, diesen aufblitzenden Zorn. Es hieß, dass die Krone viele Männer zum Schlechteren veränderte. Sie wollte dafür sorgen, dass das nicht mit Rand al’Thor geschah, aber welche Möglichkeiten blieben ihr, sollte er plötzlich entscheiden, sie in den Kerker zu werfen? Aber das würde er nicht tun, oder? Nicht Rand.
Semirhage hat gesagt, er ist verrückt, dachte sie. Sagte, er hört … Stimmen aus seinem vergangenen Leben. Geschieht das, wenn er den Kopf schief hält, als würde er Dingen lauschen, die allein er hören kann?
Sie fröstelte. Natürlich saß Min in einer Ecke und las in einem Buch. Nach der Zerstörung der Welt. Min starrte viel zu konzentriert auf die Seiten; sie hörte ihrem Gespräch zu. Was hielt sie von den Veränderungen in ihm? Sie stand ihm näher als alle anderen – so nahe, dass Nynaeve ihnen, wären sie alle in Emondsfelde, so gehörig die Meinung gesagt hätte, dass beide nicht mehr gewusst hätten, wo ihnen der Kopf stand. Und auch wenn sie sich nicht länger in Emondsfelde aufhielten und sie nicht länger die Dorfheilerin war, hatte sie Rand zu verstehen gegeben, dass sie aber auch gar nichts davon hielt. Seine Antwort war simpel gewesen. »Wenn ich sie heirate, wird mein Tod ihr nur noch mehr Schmerzen bereiten.«
Natürlich war das nur noch mehr Blödsinn. Wenn man sich in Gefahr begeben wollte, dann war das nur ein Grund mehr , um zu heiraten. Offensichtlich. Sie setzte sich auf den Boden, arrangierte ihre Röcke und dachte bewusst nicht an Lan. Er musste einen so langen Weg zurücklegen und …
Und sie musste um
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