Das Rad der Zeit 13. Das Original: Mitternachtstürme (German Edition)
beschützt von Schutzgeweben Frieden fand, um nachdenken zu können, während sein Körper neben Min in ihrem neuen Lager schlief, umgeben von Grenzländern, auf dem Feld von Merrilor. Egwene war da, mit vielen Armeen. Dafür war er bereit. Er hatte sich darauf verlassen.
Am morgigen Tag würden sie seine Forderungen hören. Nicht, was er fordern würde, um im Gegenzug darauf zu verzichten, die Siegel zu brechen – das würde er trotzdem tun, ganz egal was Egwene zu sagen hatte. Nein, es würden die Forderungen sein, die er an die Monarchen der Welt richtete, um dafür zum Shayol Ghul zu gehen und sich dem Dunklen König zu stellen.
Er war sich nicht sicher, was er tun würde, wenn sie sich weigerten. Es würde ihnen jedenfalls sehr schwerfallen. Manchmal konnte der Ruf, völlig unberechenbar zu sein, sehr nützlich sein.
Er atmete tief ein, von Frieden erfüllt. Hier in seinen Träumen waren alle Hügel grün. Wie er sie in Erinnerung hatte. In diesem namenlosen Tal, das behütet in den Verschleierten Bergen lag, hatte er eine Reise begonnen. Nicht seine erste und nicht seine letzte, aber vielleicht die wichtigste. Auf jeden Fall eine seiner schmerzhaftesten.
»Und jetzt komme ich zurück«, flüsterte er. »Ich habe mich erneut verändert. Ein Mann verändert sich ständig.«
Die Rückkehr an diesen Ort erzeugte in ihm ein Gefühl der Einheit, dieser Ort, an dem er das erste Mal den Mörder in seinem Inneren konfrontiert hatte. Der Ort, an dem er das erste Mal den Versuch unternommen hatte, vor jenen zu fliehen, die er in seiner Nähe hätte behalten sollen. Er schloss die Augen und genoss die Beschaulichkeit. Die Ruhe. Die Harmonie.
In der Ferne hörte er Schmerzensschreie.
Rand schlug die Augen auf. Was war das gewesen? Er stand auf, drehte sich um. Dieser Ort war aus seinem eigenen Verstand entstanden, war geschützt und sicher. Es war unmöglich …
Wieder ertönte ein Schrei. In der Ferne. Stirnrunzelnd hob er die Hand. Die Umgebung um ihn herum verschwand, löste sich in Nebel auf. Er stand in Finsternis.
Da, dachte er. Er befand sich in einem langen Korridor mit dunkler Holztäfelung. Er setzte sich in Bewegung, seine Stiefel polterten laut. Diese Schreie. Sie erschütterten seinen Frieden. Da litt jemand Schmerzen . Er wurde gebraucht.
Rand fing an zu laufen. Er kam zu einer Tür am Ende des Korridors. Das rostbraune Holz war knorrig und voller Vorwölbungen, wie die dicken Wurzeln eines uralten Baumes. Rand griff nach der Klinke – ebenfalls eine Wurzel – und riss die Tür auf.
Unverfälschte Schwärze erfüllte den dahinter liegenden Raum, lichtlos, wie in einer Höhle tief unter der Erde. Der Raum schien das Licht aufzusaugen und zu vernichten. Die schreiende Stimme kam von hier. Sie war schwach, als würde die Dunkelheit sie ersticken.
Rand trat ein. Die Dunkelheit verschluckte ihn. Sie schien ihm das Leben auszusaugen, wie hundert Blutegel, die ihm das Blut aus den Adern saugten. Er ging trotzdem weiter. Er konnte die Richtung nicht erkennen, aus der die Schreie kamen, also tastete er sich an der Wand entlang; sie fühlte sich wie Knochen an, glatt, aber mit gelegentlichen Sprüngen versehen.
Der Raum war rund. Als stünde er im Inneren eines gewaltigen Schädels.
Da! Schwacher Lichtschein erschien voraus, eine einzelne Kerze, die einen schwarzen Marmorboden beleuchtete. Er eilte darauf zu. Ja, da war eine Gestalt. Sie kauerte an der knochenweißen Wand. Es war eine Frau mit silbrigem Haar, die nur ein dünnes weißes Unterhemd trug.
Sie schluchzte jetzt, zitterte und bebte am ganzen Körper. Er kniete neben ihr nieder, und die Bewegung ließ die Kerze flackern. Wie war diese Frau in seinen Traum gekommen? Existierte sie in der Realität, oder war sie ein Produkt seiner Einbildungskraft? Er berührte sie an der Schulter.
Sie schaute ihn mit roten Augen an, ihr Gesicht war eine Maske der Qual, Tränen tropften ihr vom Kinn. »Bitte«, flehte sie. » Bitte. Er hat mich.«
»Wer bist du?«
»Du kennst mich«, flüsterte sie, ergriff seine Hand, klammerte sich daran fest. »Es tut mir leid. Es tut mir so leid. Er hat mich. Jeden Abend peitscht er meine Seele wieder aus. Oh, bitte! Es soll aufhören.« Die Tränen strömten nun schneller.
»Ich kenne dich nicht«, sagte Rand. »Ich …«
Diese Augen. Diese wunderschönen, schrecklichen Augen. Er keuchte auf, ließ ihre Hand los. Das Gesicht war anders. Aber diese Seele war ihm bekannt. »Mierin? Du bist tot. Ich sah dich
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