Das Rad der Zeit 14. Das Original: Das Vermächtnis des Lichts (German Edition)
gab es nur verfluchte Verrückte. Ein Mann hatte sich darauf einzustellen.
Er ging weiter und gab sich alle Mühe, höflich zu sein, um kein Messer in den Bauch zu kriegen. Die Luft roch nach hundert Süßigkeiten, die Unterhaltung der Menge klang wie ein leises Rauschen in seinen Ohren. Die Ebou Dari trugen noch immer ihre bunte Kleidung – vielleicht waren die Kesselflicker ja aus diesem Grund hier, angezogen von den hellen Farben wie Soldaten von ihrem Abendessen –, die Frauen trugen Kleider mit eng geschnürten Oberteilen, die viel Busen zeigten. Nicht dass er hingesehen hätte. Die Röcke wiesen bunte Unterröcke auf, und sie nähten sie an der Seite oder der Vorderseite hochgezogen fest, um sie zur Schau zu stellen. Das hatte er sowieso nie begriffen. Warum das Bunte darunterpacken? Und wenn man es schon tat, warum sich dann solche Mühe geben, es zu bedecken, nur um es wieder oben festzustecken?
Die Männer trugen lange Westen, die genauso farbenfroh waren, vielleicht um die Blutflecken zu verstecken, wenn sie einen Messerstich davontrugen. Warum sollte man eine gute Weste in den Müll werfen, bloß weil sich ihr Träger nach dem Wetter erkundigt hatte und darum ermordet worden war. Andererseits … auf seinem Weg sah Mat weniger Duelle als erwartet. In diesem Teil der Stadt waren sie nie so alltäglich gewesen wie im Rahad, aber manchmal hatte er keine zwei Schritte machen können, ohne zwei Männer mit gezückten Messern zu begegnen. Heute entdeckte er nicht einmal einen.
Einige Ebou Dari – oft verriet sie ihre olivfarbene Haut – stolzierten in seanchanischer Kleidung umher. Jeder war sehr höflich. So höflich wie ein Sechsjähriger, der gerade erfahren hatte, dass ein frischer Apfelkuchen in der Küche stand.
Die Stadt war die gleiche, nur anders. Alles fühlte sich eine oder zwei Nuancen anders an. Und das lag nicht nur daran, dass es im Hafen keine Schiffe vom Meervolk mehr gab. Offensichtlich waren es die Seanchaner. Sie hatten neue Regeln aufgestellt. Aber wie sahen sie aus?
Mat brachte Pips in einem Stall unter, der halbwegs respektierlich erschien. Das verriet ihm ein schneller Blick auf die anderen Tiere; man kümmerte sich gut um sie, und viele von ihnen waren kostbar. Am besten ließ sich noch immer einem Stall mit edlen Pferden vertrauen, auch wenn einen das immer etwas mehr kostete.
Er ließ Pips zurück, nahm sein Bündel und benutzte den noch immer eingewickelten Ashandarei als Wanderstab. Die richtige Schenke zu wählen war genauso schwierig, wie einen guten Wein auszusuchen, der alt sein sollte, aber kein Essig. Sauber, aber auch nicht zu sauber – eine makellose Schenke hatte kein Publikum. Mat konnte die Läden nicht ausstehen, wo die Kunden stumm saßen, Tee schlürften und nur kamen, um gesehen zu werden.
Nein, eine gute Taverne war wie ein gutes Paar Stiefel: eingelaufen und bequem. Solange das Ale nicht wie gute Stiefel schmeckte , hatte man einen Gewinner. Die besten Orte, um an Informationen zu kommen, befanden sich drüben im Rahad, aber für einen Besuch war seine Kleidung zu gut, und er wollte keine Bekanntschaft mit dem machen, was auch immer die Seanchaner dort trieben.
Er steckte den Kopf in ein Gasthaus namens Zur Winterblüte und drehte sich auf dem Absatz um und ging. Totenwächter in Uniform. Keinesfalls wollte er riskieren, Furyk Karede zu begegnen. Das nächste Gasthaus war zu hell, das übernächste zu dunkel. Nach einer Stunde der Suche – und kein einziges Duell war zu sehen – fing er langsam an zu zweifeln, je den richtigen Laden zu finden. Dann hörte er Würfel in einem Becher scheppern.
Im ersten Augenblick zuckte er zusammen in dem Glauben, es handele sich um die verfluchten Würfel in seinem Kopf. Glücklicherweise waren es ganz gewöhnliche Würfel. Gesegnete, wunderbare Würfel. Das Geräusch war sofort wieder verschwunden, der Wind hatte es durch die Menschenmassen auf der Straße weitergetragen. Die Hand auf dem Geldbeutel, das Bündel über der Schulter, bahnte er sich einen Weg durch die Menge und murmelte ein paar Entschuldigungen. In einer nahen Gasse sah er an einer Wand ein Schild hängen.
Er stellte sich darunter und las die Worte Die jährliche Keilerei . Aufgemalt war ein Bild klatschender Leute. Würfelscheppern und der Geruch von Wein und Ale drangen nach draußen. Mat trat ein. Direkt hinter der Tür stand ein rundgesichtiger Seanchaner, der mit einem Schwert am Gürtel an der Wand lehnte. Er sah Mat misstrauisch an.
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