Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
keine eindeutigen Spuren gibt«, sagte Vanin und ließ sein Pferd wenden, um dann durch den seichten Bach weiterzureiten. »Vielleicht solltet Ihr das hier sehen.«
Das Feuer hatte den größten Teil des Wagens verschlungen, der dort auf der Seite lag, aber das Wagenbett hatte es überstanden, genau wie die gelben Räder mit den roten Speichen. Ein Mann in einem Mantel, bei dem noch immer ein wenig von der grellblauen Farbe zu sehen war, lag halb unter dem Überrest des Wagens begraben. Die ausgestreckte Hand war schwarz von Blut. Was er in zittrigen Buchstaben geschrieben hatte, stach dunkel von den Brettern des Wagenbodens ab:
SAGT ES DEM WIEDERGEBORENEN DRACHEN
Was soll ich ihm sagen?, fragte sich Mat. Dass jemand einen ganzen Wagenzug von Kesselflickern umgebracht hatte? Oder war der Mann gestorben, bevor er aufschreiben konnte, was er vorgehabt hatte? Es wäre nicht das erste Mal, dass Kesselflicker an irgendeine wichtige Information gekommen wären. In einem Roman hätte er gerade lange genug gelebt, um die entscheidende Nachricht hinzukritzeln, die den Sieg bringen würde. Nun, wie die Nachricht auch lauten mochte, niemand würde sie jetzt noch erfahren.
»Ihr habt recht gehabt, Vanin.« Mat zögerte. Was sollte er dem Wiedergeborenen Drachen sagen? Keine Veranlassung, noch mehr Gerüchte in die Welt zu setzen, als sie schon in Umlauf gebracht hatten. »Sorgt dafür, dass der Rest des Wagens verbrannt wird, bevor Ihr weiterreitet. Und sollte jemand fragen, dann gab es hier nichts zu sehen außer einer Menge toter Männer.« Und Frauen, und Kinder.
Vanin nickte. »Dreckige Wilde«, knurrte er und spuckte noch einmal aus. »Könnten einige von denen gewesen sein, schätze ich.« Die Truppe von Aielmännern hatte sie mittlerweile eingeholt. Sie war drei- oder vierhundert Mann stark. Sie trabten den Hang herunter und überquerten den Bach nicht mehr als fünfzig Schritt von den Wagen entfernt. Einige von ihnen hoben eine Hand zum Gruß. Mat erkannte sie nicht, doch eine ganze Menge Aiel hatten von Rand al’Thors Freund gehört, der immer diesen Hut trug und mit dem man besser kein Spielchen wagen sollte.
Verdammte Aiel, dachte Mat. Er wusste, dass die Aiel die Kesselflicker mieden, wenn er auch den Grund nicht kannte, aber das hier … »Ich glaube das nicht«, sagte er. »Sorgt dafür, dass er verbrannt wird, Vanin.«
Talmanes und die beiden anderen befanden sich selbstverständlich genau dort, wo er sie zurückgelassen hatte. Als Mat ihnen berichtete, was vor ihnen lag und dass sie Leute ausschicken sollten, um die Toten zu beerdigen, nickten sie grimmig. »Kesselflicker?«, brummte Daerid ungläubig.
»Wir werden hier unser Lager aufschlagen«, fügte Mat hinzu.
Er erwartete einen Kommentar, denn das Tageslicht würde durchaus reichen, um noch ein paar Meilen zurückzulegen, und diese drei waren von dem Ehrgeiz der Bande angesteckt worden, immer noch ein paar Meilen zuzulegen, sodass sie jetzt sogar Wetten darauf abschlossen, aber Nalesean sagte lediglich: »Ich schicke einen Mann hinunter, um den Schiffen ein Signal zu übermitteln, damit sie nicht zu weit vorausfahren.«
Vielleicht empfanden sie das Gleiche wie er. Wenn sie nicht von der bisherigen Richtung abwichen und zum Fluss marschierten, würden sie zumindest den Anblick der aufgescheuchten Geier nicht vermeiden können. Nur weil ein Mann dem Tod ins Auge geblickt hatte, musste er ihn deshalb nicht schön finden. Was Mat selbst betraf, fürchtete er, sich beim nächsten Anblick dieser Vögel übergeben zu müssen. Am Morgen würden nur noch Gräber zu sehen sein.
Doch die Erinnerung ließ sich nicht verdrängen, auch nachdem sein Zelt auf jener Kuppe errichtet worden war, um jeden noch so leichten Lufthauch vom Fluss herauf spüren zu können, falls sich jemals noch ein Lüftchen erheben würde. Menschliche Körper, von Mördern niedergestreckt, von Geiern zerfetzt. Schlimmer als die Kämpfe um Cairhien gegen die Shaido. Dort waren Töchter des Speers gestorben, aber er hatte ihre Leichen nicht gesehen, und dort waren keine Kinder gewesen. Ein Kesselflicker kämpfte nicht – noch nicht einmal, um das eigene Leben zu verteidigen. Niemand tötete das Fahrende Volk. Er aß wenig von seinem Bohnengemüse mit Rindfleisch und zog sich so schnell wie möglich in sein Zelt zurück. Selbst Nalesean wollte sich nicht unterhalten, und Talmanes wirkte noch verschlossener als sonst.
Die Nachricht von dem Gemetzel hatte sich ausgebreitet. Es lag eine
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