Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
Wahrheit. Jener Traum. Gawyn, der vor ihr kniete, während sie seinen Kopf hielt. Es hätte hundert verschiedene Dinge oder nichts bedeuten können, aber sie wusste es.
Er grinste sie an. Der Tor glaubte, sie mache Scherze! »Sicherlich nicht ich. Vielleicht Galad. Obwohl Ihr andere Aes Sedai gewaltsam vertreiben müsstet. Aes Sedai, Dienerinnen, Königinnen, Zimmermädchen, Kauffrauen, Bäuerinnen … Ich habe sie ihn alle anblicken sehen. Es sollte Euch nicht beunruhigen, dass Ihr nicht glaubt …«
Die einfachste Art, diesem Unsinn Einhalt zu gebieten, war, ihm eine Hand auf den Mund zu legen. »Ich liebe Galad nicht. Ich liebe dich.«
Gawyn versuchte es noch immer als Scherz zu betrachten und lächelte unter ihren Fingern. »Ich kann kein Behüter sein. Ich werde Elaynes Erster Prinz des Schwertes sein.«
»Wenn die Königin von Andor eine Aes Sedai sein kann, kann ein Prinz auch ein Behüter sein. Und du wirst mein Behüter. Präge dir das in deinen dicken Schädel ein. Ich meine es ernst. Und ich liebe dich.« Er sah sie an. Zumindest lächelte er nicht mehr. Aber er sagte nichts, sondern schaute nur. Sie nahm ihre Hand fort. »Nun? Willst du nichts sagen?«
»Wenn man sich so lange wünscht, etwas Bestimmtes zu hören«, antwortete er bedächtig, »und man es dann plötzlich und ohne Vorwarnung tatsächlich hört, ist es wie ein Blitzschlag und Regen auf ausgetrockneten Boden. Man ist wie betäubt und glaubt seinen Ohren nicht trauen zu können.«
»Ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich«, belehrte sie ihn lächelnd. »Nun?«
Er hob sie als Antwort hoch und küsste sie. Es war genauso schön wie in den Träumen. Es war sogar noch schöner. Es war … Als er sie schließlich absetzte, klammerte sie sich an seine Arme. Ihre Beine schienen sie nicht mehr richtig zu tragen. »Meine Lady Aiel Egwene Aes Sedai«, sagte er, »ich liebe Euch auch und kann es kaum erwarten, dass Ihr Euch mit mir verbindet.« Dann ließ er von der spöttischen Förmlichkeit ab und fügte sanfter hinzu: »Ich liebe dich, Egwene al’Vere. Du sagtest, du wolltest mich um einen Gefallen bitten. Worum geht es? Um den Mond an einer Halskette? Ich werde sie einen Goldschmied innerhalb einer Stunde anfertigen lassen. Sterne für dein Haar? Ich werde …«
»Sage Coiren und den anderen nicht, dass ich hier bin. Erwähne es ihnen gegenüber nicht einmal.«
Sie hatte Zögerlichkeit erwartet, aber er sagte schlicht: »Sie werden von mir nichts erfahren. Oder von irgendjemand anderem, wenn ich es verhindern kann.« Er hielt einen Moment inne und umfasste dann ihre Schultern. »Egwene, ich werde nicht fragen, warum du hier bist. Nein, hör einfach zu. Ich weiß, dass Siuan dich in ihre Pläne eingebunden hat, und ich verstehe, dass du einem Mann aus deinem eigenen Dorf gegenüber loyal sein willst. Aber das ist unwichtig. Du solltest in der Weißen Burg sein und lernen. Ich erinnere mich, dass sie alle sagten, du würdest eines Tages eine mächtige Aes Sedai sein. Hast du einen Plan, wie du ohne … Strafen zurückkehren willst?« Sie schüttelte schweigend den Kopf, und er sprach eilig weiter. »Vielleicht fällt mir etwas ein, wenn du nicht vorher eine Idee hast. Ich weiß, dass du keine andere Wahl hattest, als Siuan zu gehorchen, aber ich bezweifle, dass Elaida dem viel Gewicht beimessen wird. Allein die Erwähnung des Namens Siuan Sanche in ihrer Nähe entspricht fast dem Wert deines Kopfes. Ich werde einen Weg finden, irgendwie. Ich schwöre es. Aber versprich mir, dass du bis dahin nichts … nichts Törichtes tun wirst.« Seine Hände schlossen sich einen Moment fester und fast schmerzhaft um ihre Schultern. »Versprich mir einfach, dass du vorsichtig sein wirst.«
Licht, das war eine schöne Misere. Sie konnte ihm nicht sagen, dass sie nicht die Absicht hatte, zur Burg zurückzukehren, solange Elaida auf dem Amyrlin-Sitz saß. Und etwas Törichtes bedeutete fast immer, dass es etwas mit Rand zu tun hatte. Er wirkte so besorgt um sie. »Ich werde vorsichtig sein, Gawyn. Das verspreche ich.« So vorsichtig wie möglich, verbesserte sie sich insgeheim. Es war nur eine kleine Änderung, die aber das, was sie als Nächstes sagen musste, noch schwieriger machte. »Ich muss dich noch um einen zweiten Gefallen bitten. Glaub mir, Rand hat deine Mutter nicht getötet.« Wie konnte sie es ausdrücken, ohne ihn zu überfordern? Wie dem auch sei – sie musste es tun. »Versprich mir, dass du nicht gegen Rand vorgehst, bis ich
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