Das Rad der Zeit 8. Das Original: Der Weg der Klingen (German Edition)
würde sie gleichfalls nicht lange überleben. Dieser Gedanke ließ sie erschaudern. Der Große Herr gab nur sehr wenigen eine zweite Chance im Leben, und sie würde die ihre nicht vergeuden.
Sie wartete, bis die Reiter im Wald außer Sicht gerieten, bevor sie sich wieder dem Lager zuwandte und müßig an die Träume der vergangenen Nacht dachte. Der weiche Schnee hinter ihr würde bis zum Frühjahrstauwetter verbergen, was sie vergraben hatte – durchaus lange genug. Einige der Männer im Lager vor ihr bemerkten sie schließlich und richteten sich von ihren Arbeiten auf, um sie zu beobachten. Sie lächelte wider Willen und strich den Rock über ihren Hüften glatt. Es war inzwischen schwierig geworden, sich wirklich daran zu erinnern, wie das Leben als Mann gewesen war. War sie damals ein solch leicht zu beeinflussender Tor gewesen? Mit einer Leiche ungesehen durch diese Horde zu gelangen, war selbst für sie schwierig gewesen, aber sie genoss den Rückweg.
Der Morgen schritt mit scheinbar endlosem Durchforsten von Papieren voran, bis das geschah, wovon Egwene gewusst hatte, dass es geschehen würde. Gewisse Ereignisse traten jeden Tag ein. Es würde bitterkalt werden, es würde schneien, es würden Wolken über den grauen Himmel ziehen, und es würde windig sein. Und es würden Besuche von Lelaine und Romanda stattfinden.
Egwene war müde vom langen Sitzen und vertrat sich gerade die Beine, als Lelaine mit Faolain im Schlepptau ins Zelt rauschte. Kalte Luft wehte mit ihnen herein, bevor sich der Zelteingang wieder schloss. Lelaine sah sich mit leicht missbilligender Miene um und zog dann ihre blauen Lederhandschuhe aus, während sie sich von Faolain den luchsgesäumten Umhang von den Schultern nehmen ließ. In tiefblauer Seide, mit durchdringenden Augen, schlank und würdevoll hätte sie sich ebenso gut in ihrem eigenen Zelt befinden können. Auf eine beiläufige Geste hin zog sich Faolain mit dem Kleidungsstück ehrerbietig in eine Ecke zurück, während sie ihren eigenen Umhang nur mit einer Schulterbewegung zurückwarf. Sie war unzweifelhaft bereit, auf ein weiteres Zeichen der Sitzenden hin sofort zu gehen. Ihre dunklen Züge zeugten von resignierter Demut, was ihr nicht sehr ähnlichsah.
Lelaine legte ihre Zurückhaltung kurzzeitig ab, indem sie Siuan überraschend herzlich anlächelte. Sie waren vor Jahren Freundinnen gewesen, und sie hatte sogar eine Art Schutz angeboten, wie Faolain ihn angenommen hatte, den Schutz einer Sitzenden und einen schützenden Arm gegen den Hohn und die Beschuldigungen anderer Schwestern. Lelaine berührte Siuans Wange und flüsterte leise etwas, das mitfühlend klang. Siuan errötete, und erschreckende Unsicherheit zeigte sich auf ihrem Gesicht. Egwene war sich sicher, dass dies nicht vorgetäuscht war. Siuan fiel es schwer, mit dem umzugehen, was sich tatsächlich in ihr verändert hatte, und mehr noch damit, wie leicht sie sich anpasste.
Lelaine betrachtete den Stuhl vor dem Schreibtisch und lehnte wie üblich einen solch unsicheren Platz deutlich ab. Schließlich würdigte sie Egwenes Anwesenheit mit einer leichten Neigung ihres Kopfes. »Wir müssen über das Meervolk sprechen, Mutter«, sagte sie in einem dem Amyrlin-Sitz gegenüber etwas zu harten Tonfall.
Erst als Egwene das enge Gefühl in ihrer Kehle schwinden spürte, erkannte sie, dass sie befürchtet hatte, Lelaine wüsste bereits von dem, was Lord Bryne ihr berichtet hatte. Oder sogar von dem Treffen, das er plante. Aber im nächsten Moment kehrte das beengte Gefühl wieder zurück. Das Meervolk? Der Saal konnte doch gewiss noch nichts von dem aberwitzigen Vertrag erfahren haben, den Nynaeve und Elayne geschlossen hatten. Sie konnte sich nicht vorstellen, was die beiden in eine solche Katastrophe geführt hatte oder wie sie damit umgehen sollte.
Ihr Magen rebellierte, während sie ihren Platz hinter dem Tisch wieder einnahm, ohne ihre Empfindungen preiszugeben. Dabei knickte dieses dumme Stuhlbein ein, sodass sie fast auf die Teppiche fiel, bevor sie es wieder gerade ziehen konnte. Sie hoffte, dass sie nicht errötete. »Über das Meervolk in Caemlyn oder das in Cairhien?« Ja, das klang angemessen ruhig und gefasst.
»Das in Cairhien.« Romandas hohe Stimme erinnerte an jäh erklingende Glocken. »Gewiss in Cairhien.« Ihr Eintreten ließ Lelaine fast schüchtern erscheinen, als die Macht ihrer Persönlichkeit unvermittelt das Zelt erfüllte. Romanda lächelte nicht herzlich. So hübsch ihr Gesicht auch
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