Das Rätsel der Fatima
Patientinnen. Er kam zu ihr, setzte sich auf die Bettkante und reichte ihr die Hand.
»Wie geht es Ihnen, Frau Dr. Helmer?«
»Wenn man von den Wehen absieht, gut.«
»Ich muss Ihnen noch ein paar Fragen stellen«, fuhr er fort, und Beatrice spürte, dass er verärgert war, dass seine Kollegin dies nicht getan hatte. »Wie lange haben Sie die Wehen schon?«
»Seit heute Abend halb neun.«
Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Also seit etwa zweieinhalb Stunden. Ist das die erste Komplikation in der Schwangerschaft?«
»Ja.«
»Können Sie sich einen Grund vorstellen? Haben Sie sich zum Beispiel körperlich überanstrengt, oder hatten Sie in der letzten Zeit einen Infekt?«
Beatrice schüttelte den Kopf. »Nichts dergleichen. Ich habe mich lediglich heute Abend ziemlich aufgeregt, und danach…« Wieder kam eine Wehe.
Dr. Wagner warf einen Blick auf das CTG und legte prüfend eine Hand auf ihren Bauch.
»Was ist jetzt?«, fragte Beatrice voller Angst.
»Vorerst brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen, Frau Kollegin. Der Muttermund ist fest geschlossen – ein gutes Zeichen nach zweieinhalb Stunden Wehen. Außerdem ist die Fruchtblase intakt, und die Herztöne des Kindes sind völlig in Ordnung. Wir werden Sie an einen Partusisten-Perfusor anschließen, um die Wehentätigkeit zu hemmen, und außerdem erhalten Sie hochdosiertes Magnesium. Zur Vorsicht geben wir Ihnen auch noch eine Cortisonspritze, um die Lungenreife des Kindes zu fördern. Natürlich müssen Sie strenge Bettruhe einhalten. Das bedeutet Waschen und Toilettengang im Bett.«
Beatrice stöhnte auf. Welch ein Albtraum! Und doch war dies ein geringer Preis verglichen mit einer drohenden Frühgeburt.
»Und wenn doch etwas schief geht?«
»Zur Zeit glaube ich das nicht«, antwortete Dr. Wagner. »Aber zu Ihrer Beruhigung sollten Sie wissen, dass sowohl ein OP-Team als auch ein Neonatologe mit Brutkasten bereitstehen. Sollte das Partusisten wider Erwarten nicht den gewünschten Erfolg haben, können wir innerhalb weniger Minuten alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen.« Er schüttelte lächelnd den Kopf. »Aber machen Sie sich keine großen Hoffnungen, Frau Kollegin. Ich weiß zwar, dass ihr Chirurgen es immer besonders eilig habt, aber so geht das nicht. Sie werden sich schon noch ein wenig gedulden müssen, bis das Kind zur Welt kommt.«
Die Tür ging auf, und eine Schwester erschien mit einem Gestell, an dem ein klobiger grüner Kasten hing. Eine mit klarer Flüssigkeit gefüllte 50-ml-Spritze war in den oberen Teil eingespannt, dünne Plastikschläuche durchliefen den Tropfenzähler.
»Sie können sich jetzt umziehen, wenn Sie mögen«, sagte Dr. Wagner. »Wenn Sie erst an dem Perfusor angeschlossen sind, ist das ziemlich kompliziert. Ich bin gleich wieder bei Ihnen.«
Das Umziehen dauerte so lange, dass Beatrice sich vorkam wie eine Neunzigjährige, und es war ihr peinlich, dass die Schwester ihr dabei helfen musste. Doch sie war heilfroh, als sie endlich wieder im Bett lag.
»Sie werden ein paar Stunden zur Beobachtung hier im Kreißsaal bleiben«, sagte die Schwester und legte Beatrices Kleidungsstücke sorgfältig zusammen. »Erst dann werden Sie auf die Station… hoppla!«
Ein Poltern unterbrach sie. Die Schwester bückte sich und hob etwas vom Boden auf.
»Das ist aus Ihrer Hosentasche gefallen«, sagte sie und reichte Beatrice einen leuchtend blauen Stein von der Größe einer Walnuss. »Tut mir leid, ich fürchte, er ist zerbrochen.«
Beatrice nahm den Stein. »Ja«, sagte sie und fuhr mit dem Finger über die raue Bruchkante. »Aber nicht jetzt. Das ist schon sehr lange her.«
»Ein Talisman?«, fragte die Schwester.
»So etwas in der Art.«
Beatrice betrachtete nachdenklich den Stein. Wie war er nur in ihre Hosentasche geraten? Nachdem sie im Krankenhaus angerufen hatte, hatte sie in aller Eile eine Reisetasche mit dem Notwendigsten zusammengepackt. Aber dass sie dabei auch den Saphir mit eingesteckt hatte, daran konnte sie sich gar nicht mehr erinnern. Sie musste trotz der Wehen einen Stuhl zum Kleiderschrank gezerrt haben, dort hinaufgestiegen sein und aus der hintersten Ecke das Frotteehandtuch hervorgeholt haben, in dem sie den Stein versteckt hatte. Aber warum erinnerte sie sich dann nicht mehr daran?
Etwa eine halbe Stunde später lag Beatrice allein im Überwachungsraum. Dr. Wagner hatte ihr einen venösen Zugang gelegt, den Perfusor angeschlossen und ihr die möglichen Nebenwirkungen geschildert.
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