Das Rätsel der Fatima
rollte eine Träne über ihre Wange. Sie biss sich auf die Lippe, um nicht laut zu schluchzen.
»Susanne, komm schon!«, rief Heinrich über den Flur. »Der Transport ist doch für die Gynäkologen. Wir brauchen dich hier!«
»Heute ist wirklich die Hölle los.« Susanne ergriff Beatrices Hand. »Kann ich irgendetwas für dich tun?«
»Halte mir die Daumen, okay?«
Susanne nickte und drückte ihre Hand ganz fest, bevor sie zu Heinrich in den Behandlungsraum eilte.
Die beiden Sanitäter schoben Beatrice den Flur entlang zu den Fahrstühlen. Links und rechts standen Betten und Liegen mit Patienten, die auf Untersuchungen, Ergebnisse, ihre Verlegung oder Entlassung warteten. Einige schliefen, andere wälzten sich unruhig auf den schmalen Liegen und stöhnten leise. Die Kollegen hatten offensichtlich alle Hände voll zu tun. Während sie zur gynäkologischen Abteilung in den zweiten Stock fuhren, ertappte sich Beatrice bei dem Gedanken, dass es besser gewesen wäre, wenn sie heute Abend noch länger geblieben wäre. Sie hätte den Kollegen helfen können, und sie hätte Markus nicht getroffen. Bestimmt hätte er nicht lange vor ihrer Haustür auf sie gewartet. Sie hätte einen verspäteten, aber ruhigen, beschaulichen Abend vor dem Fernseher verbracht und würde jetzt nicht…
Die Fahrstuhltür ging auf, und sie wurde hinausgeschoben. Vor der Glastür des Kreißsaals blieben die Sanitäter stehen. Aber noch bevor sie klingeln konnten, öffnete sich die Tür.
»Sind das die vorzeitigen Wehen?«, erkundigte sich eine tiefe weibliche Stimme.
»Ja, wir…«
»Danke, wir übernehmen.«
Achselzuckend drehten sich die beiden Sanitäter um.
»Alles Gute«, verabschiedeten sie sich von Beatrice und verschwanden.
» Guten Abend, Frau…«
»Helmer«, sagte Beatrice und betrachtete die hochgewachsene, athletische Frau argwöhnisch. Sie wusste bereits in diesem Augenblick, dass sie sie nicht mochte. Ärzte, die ihre Patienten nach ihren Beschwerden oder der Diagnose benannten, noch dazu in deren Anwesenheit, waren ihr ein Gräuel. Diese Leute hätten sich lieber mit Informatik oder Maschinenbau befassen sollen.
»Frau Helmer. Ich bin Dr. Schmidt-Bartelsen. Ich glaube, wir haben vorhin miteinander telefoniert. Wir fahren Sie in einen unserer Überwachungsräume und machen ein paar Untersuchungen. Dann sehen wir weiter.«
Beatrice wollte fragen, welche Untersuchungen geplant waren, doch eine weitere Wehe erstickte jeden Laut in ihrer Kehle. Dr. Schmidt-Bartelsen war eine kompetente Gynäkologin, wenigstens hatte sie diesen Ruf im Krankenhaus. Allerdings strahlte sie ebenso viel Güte und Freundlichkeit aus wie die Schneekönigin. Und gerade in dieser Situation hätte sich Beatrice einen mitfühlenderen Arzt an ihrer Seite gewünscht.
Man kann nicht immer Glück haben, dachte sie. Dann kam wieder eine Wehe, und sie biss die Zähne zusammen, um nicht laut zu schreien.
Frau Dr. Schmidt-Bartelsen arbeitete zügig, gründlich – aber leider stumm. Während der ganzen Untersuchung richtete sie nicht einmal das Wort an Beatrice, und die leisen Anweisungen der Ärztin an die anwesende Schwester konnte sie nicht verstehen. Nebenher lief das CTG – ein Gerät, das mithilfe auf den Bauch geklebter Elektroden die Wehentätigkeit und die kindlichen Herztöne aufzeichnet. Die Herztöne waren deutlich zu hören, dieses laute Fauchen und Klopfen, das in jeder gynäkologischen Praxis zum Alltag gehört. Die Töne waren schnell und schienen einigermaßen regelmäßig zu sein. Aber ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen war, konnte Beatrice nicht sagen. Sie war viel zu aufgeregt, um ihr gynäkologisches Wissen aus den Tiefen ihres Gehirns hervorzukramen. Und Dr. Schmidt-Bartelsen gab kein Wort von sich.
Als die Ärztin mit der Untersuchung fertig war, sah sie sich den Ausdruck des Geräts an und runzelte nachdenklich die Stirn. Dann riss sie das Millimeterpapier ab.
»Bin gleich wieder da«, murmelte sie, verschwand mit der Schwester und ließ Beatrice allein.
Diese hätte ihr gern hinterhergerufen, dass sie endlich erfahren wolle, was los sei, doch sie bekam keinen Ton heraus. Die Angst schnürte ihr die Kehle zu.
Als sich die Tür wieder öffnete, waren vermutlich nur Minuten vergangen, doch Beatrice kam die Zeit wie Stunden vor.
»Guten Abend!«
Die freundliche Stimme gehörte Dr. Wagner, dem Oberarzt der Geburtsabteilung. Er hatte einen ausgezeichneten Ruf und war allgemein beliebt – bei Kollegen, Schwestern und
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