Das Raetsel der Liebe
und berieten sich leise.
Dann ergriff wieder Hadley das Wort. »Wenn dies in der Tat Ihre Absichten sind, Lord Northwood, dann kommt der Rat wohl nicht umhin, Ihren Rücktritt anzunehmen und Ihnen eine gute Reise zu wünschen.«
Die Unruhe im Saal steigerte sich zu ungeahnter Lautstärke. Plötzlich redeten alle gleichzeitig, während etliche der Anwesenden nach vorne eilten, um mit den Mitgliedern des Kuratoriums oder mit Alexander zu sprechen. Im Nu war er von einer Menschentraube umgeben. Einige Herren schüttelten ihm die Hand, andere machten ihm Vorhaltungen.
»Eine Schande, diese Northwoods«, giftete ein Mann. »Alle miteinander.«
»Auf Nimmerwiedersehen«, murmelte ein anderer Offizieller halblaut.
»Achten Sie nicht auf die da«, meinte ein dritter, und schüttelte missbilligend den Kopf in Richtung der beiden ersten. » Die meisten von uns wissen das, was Sie geleistet haben, sehr zu schätzen, Mylord. Ich schließe mich Hadley an und wünsche Ihnen alles Gute.«
Lydia gesellte sich zu ihren Kollegen. Tapfer widerstand sie der Versuchung, zu Alexander zu laufen und … und was? Sie war nicht sicher, ob sie ihn lieber schlagen oder küssen sollte. Vielleicht beides.
»Wir sollten jetzt gehen, Gentlemen«, verkündete sie. »Unsere Arbeit hier ist getan.«
Die Mathematiker begannen, Bücher zusammenzupacken, Papiere aufzurollen, Blätter zu stapeln. Lydia klappte ihre Tasche zu, griff nach ihrem Zeigestock und ging festen Schrittes Richtung Ausgang, wobei sie sich mit aller Gewalt davon abhalten musste, sich umzudrehen und einen letzten Blick auf Alexander zu werfen.
»Lydia!« Seine eindringliche Stimme übertönte den allgemeinen Lärm.
Ein kleiner Hoffnungsschimmer blitzte inmitten all ihrer Verzweiflung auf, und für einen kurzen Moment zögerte sie. Doch dann hörte sie wieder seine Worte in ihrem Kopf.
Ich werde London verlassen
.
Und wieso sollte das überhaupt eine Rolle spielen? Er wusste ebenso gut wie sie, dass es keine Beziehung zwischen ihnen geben würde. Sollte sie ihm also nicht einfach eine gute Reise und viel Glück wünschen und die kostbare Erinnerung an das bewahren, was sie beide miteinander gehabt hatten?
Natürlich scherte ihr Herz sich einen Dreck darum, was sie tun
sollte
. Das dumme Ding wusste nur, wonach es sich sehnte.
»Äh, Miss Kellaway?« Lord Perry berührte sie leicht am Arm, um anzudeuten, dass sie weitergehen solle, weil hinter ihr die Massen aus dem Raum drängten. Eine Wand aus Menschen schloss sich zwischen ihr und der Stelle, an der Alexander immer noch stand.
Lydia schluckte und packte ihre Tasche fester. Dann straffte sie die Schultern und ging hinaus in die Lobby.
»Lydia!« Alexanders Stimme klang verzweifelt.
Ein Beben durchlief ihren Körper. Sie ging schneller und versuchte, im Kreis ihrer Kollegen unterzutauchen. Sie konnte ihm nicht gegenübertreten. Sie konnte ihn nicht merken lassen, dass allein schon der Gedanke, dass er weggehen würde, ihr das Herz brach. »Gentlemen!« Jetzt war es Sebastians Stimme, die den Lärm und das Durcheinander übertönte. »Gentlemen, im Besprechungsraum werden Drinks serviert!«
Hocherfreut wandten sich die meisten in die angegebene Richtung. Lydia konnte sich nicht länger beherrschen und blickte zurück zu Alexander, vor dem sich die Menge wieder geteilt hatte.
Er hatte die Hände zu Fäusten geballt, als er schnell und entschlossen auf sie zukam. Ihre Blicke trafen sich über die Entfernung hinweg, und die Aura finsterer Enttäuschung, die ihn umgab, ließ ihr die Nackenhaare zu Berge stehen. Ihr Magen zog sich zusammen, als sie sich abwandte.
Dr. Grant hielt Lydia die Tür auf, und sie lief hastig hinaus in die Eingangshalle. Ein wenig beunruhigt ob dieser unerklärlichen Eile, folgten die Herren ihr.
»Ist die Kutsche bereit, Lord Perry?« Lydia blieb stehen und ließ den Blick suchend über die dicht bevölkerte Straße vor dem Gebäude schweifen. »Bitte, wir müssen uns beeilen …«
Plötzlich ertönte hinter ihnen ein lauter Fluch, gefolgt vom Krachen einer zuschlagenden Tür.
»Lydia!«
Sie erstarrte. Ihre Begleiter drehten sich um, gingen in Verteidungsposition und beobachteten wachsam, wie Alexander mit großen Schritten auf sie zukam. Seine Miene war düster, das Haar hing ihm zersaut in die Augen und auf seiner Stirn stand Schweiß. Er sah aus, als sei er der Teufel höchstpersönlich und gekommen, um ihre arme Seele zu holen.
Einige Kollegen Lydias bildeten einen schützenden Halbkreis
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