Das Raetsel der Liebe
kein nächstes Mal geben, Mylord.«
»Oh doch, das wird es. Aber nicht, weil Sie es mir schulden, sondern weil Sie es wollen.«
Sie machte auf dem Absatz kehrt und ging entschlossenen Schrittes hinaus ins Foyer. Alexander folgte ihr, bis er sie sicher in ihrer Droschke wusste, dann kehrte er in den Salon zurück.
Doch kaum in der Eingangshalle angelangt, blieb er abrupt stehen. An der Tür zu seinem Arbeitszimmer stand mit ausdruckslosem, versteinertem Gesicht sein Vater.
»Das war Miss Kellaway, nicht wahr?«
Alexander nickte stumm. Er wusste nicht was er sagen sollte. Abgesehen davon hasste er das Gefühl, dabei ertappt worden zu sein, etwas Falsches getan zu haben.
Rushton ließ schweigend seinen Blick hinüber zum Salon wandern und von dort zurück zur Eingangstür. Dann drehte er sich um und verschwand wieder in seinem Arbeitszimmer.
9
Die Sonne hing am Himmel wie ein großer, goldener Ball und brannte die letzten Schleier eines späten Morgennebels weg. Eine sanfte Brise brachte das Laub der Bäume zum Rascheln. Jane, die neben Lydia in der Kutsche saß, lugte aus dem Fenster, als sie sich dem Festgelände näherten.
»Dort vorne ist es!« Sie wäre beinahe hochgehüpft vor Aufregung.
Lydia lächelte. Während der vergangenen anderthalb Wochen hatte ihre Schwester von nichts anderem geredet als dem Kinderfest, und ihre fröhliche Erwartung hatte Lydia in der Überzeugung bestärkt, das Richtige getan zu haben, als sie Northwoods Einladung annahm.
Sie ergriff Janes Hand, nachdem sie aus der Kutsche gestiegen waren und inmitten vieler gut gekleideter Männer und Frauen und erwartungsfroher, ungeduldiger Kinder zu der großen Wiese gingen.
Die Fläche war mit Blumen, Wimpeln und Luftballons geschmückt. Entlang der äußeren Begrenzung hatte man verschiedene Stände aufgebaut. Neben einer hölzernen Plattform, die einen Teil der Fläche zum Tanzen abgrenzte, stimmten einige Musiker ihre Instrumente. Sebastian saß an einem Pianino und diskutierte mit einem anderen Musiker angeregt über ein Stück.
Noch bevor Lydia und Jane den Eingang erreicht hatten, kam Lord Northwood auf sie zu, am Arm eine junge Frau.
Lydias Herz machte einen kleinen Sprung. Himmel, wie gut er aussah! Die Spitzen seines Hemdkragens betonten noch die klaren Linien seines Gesichts, und er schritt mit einer solchen Leichtigkeit und männlichen Eleganz dahin, dass Lydia ihn am liebsten stundenlang betrachtet hätte.
»Guten Morgen.« Er blieb vor den beiden stehen und lüftete seinen Hut, während seine dunklen Augen über Lydia glitten. Auf ihrer Haut begann es sofort zu kribbeln. »Es ist mir ein Vergnügen, Sie wiederzusehen.«
Er stellte die Frauen einander vor, und Talia Hall begrüßte Lydia und Jane überaus herzlich.
»Ich freue mich, Sie nun endlich richtig kennenzulernen, Miss Kellaway.« Obgleich die junge Frau etwas zierlicher war und feinere Gesichtszüge hatte, gab es doch auch eine große Ähnlichkeit zwischen ihr und ihren beiden Brüdern. Die dunklen Augen und die hohen Wangenknochen verliehen allen dreien ein leicht exotisches Aussehen. »Ich entschuldige mich in aller Form für … das Chaos bei unserer ersten Begegnung.«
Sie warf Alexander einen scharfen Seitenblick zu. Er besaß so viel Anstand, leicht beschämt auszusehen.
»Es gibt nichts, wofür Sie sich entschuldigen müssten, Lady Talia«, versicherte Lydia, während sie am Einlass ihre Eintrittskarten vorzeigten.
»Miss Jane, es wäre mir eine Ehre, Sie zu den einzelnen Ständen zu begleiten«, sagte Alexander und bot Lydias Schwester seinen Arm an. »Es gibt viele nette Spiele. Und außerdem sind da noch einige Dioramen, die Sie recht faszinierend finden dürften.«
Jane sah kurz zu Lydia, um ihr Einverständnis einzuholen. Lydia zögerte einen Augenblick. Eigentlich mochte sie Jane gar nicht gehen lassen. Hier waren viel zu viele Leute, hier herrschte viel zu viel Trubel …
Hör auf damit.
Northwood würde niemals zulassen, dass Jane etwas passiert.
Sie nickte. Jane schenkte Northwood ein strahlendes Lächeln und nahm seine Hand. Leicht besorgt sah Lydia ihnen nach, bis sie in der Menge verschwunden waren.
Lady Talia blieb bei ihr, wofür Lydia überaus dankbar war. Sie schlenderten gemeinsam über das Festgelände und trafen verschiedene Leute, darunter auch Lord Castleford – einen großen, schlanken Mann, dessen beeindruckende Erscheinung fast einschüchternd gewirkt hätte, wäre da nicht dieses fröhliche Funkeln in seinen Augen und
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