Das Raetsel der Liebe
Heiserkeit, wie ein guter Brandy, der weich und warm die Kehle hinunterrinnt und sein Aroma entfaltet. Ihn überkam das dringende Verlangen, diese Stimme seinen Vornamen aussprechen zu hören, zu spüren, wie sie auf seiner Haut schmolz.
»Sie gestatten?« Er trat auf sie zu und nahm ihr die Bücher ab, wobei seine Finger leicht ihre Arme und die behandschuhten Finger berührten. Der Duft, der sie umgab, stieg ihm in die Nase und erfüllte seinen Kopf.
»Vielen Dank.« Lydia hob eine Hand und rückte ihren Hut gerade. Die Anspannung ließ Farbe auf ihre blassen Wangen treten. Einige Locken ihres dunkelbraunen Haars hatten sich selbstständig gemacht und ringelten sich vorwitzig über Hals und Stirn.
Sie legte eine Hand auf die Schulter ihrer kleinen Begleiterin, beugte sich zu ihr hinunter und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Das Mädchen warf Alexander einen neugierigen Blick zu, dann ging es zurück ins Haus. Die Stirn leicht gerunzelt, sah er ihm nach.
»Meine Schwester«, erklärte Lydia. »Bitte verzeihen Sie, dass ich sie weggeschickt habe. Ich möchte nicht, dass sie etwas erfährt von den jüngsten … Ereignissen.«
»Ereignissen?«
»Ja, die … kommen Sie doch bitte herein.« Sie ging ihm voran in den Salon.
Während er die Bücher auf dem Tisch ablegte, ließ Alexander seinen Blick durch den Raum schweifen, über die abgewetzten Brokatbezüge des Sofas und der Sessel, die sich hier und da ablösende Tapete, die vergilbten chinesischen Schriftrollen. Auf den blank polierten Oberflächen war nicht ein einziges Körnchen Staub zu sehen, doch die Möbel zeigten deutliche Spuren von Alter und Abnutzung.
»Ich hatte vor, im Laufe des Tages Kontakt mit Ihnen aufzunehmen, Mylord.« Lydia, die vor dem Fenster stand, wandte sich zu ihm um und begann, ihre Handschuhe auszuziehen. »Ist mein Notizbuch bei Ihnen? Ich fürchte, ich habe es gestern bei Ihnen vergessen.«
Alexander riss seinen Blick von ihren schmalen weißen Händen los und zog das Notizbuch aus der Tasche. Lydia atmete erleichtert auf und kam zu ihm herüber.
»Oh, danke. Ich habe so vieles darin notiert. Ich wüsste nicht, was –« Sie verstummte abrupt, als sie bemerkte, dass er ihr das Buch nicht entgegenstreckte.
Auf ihrer Stirn erschien eine steile Falte, und sie stieß einen gereizten Seufzer aus. »Ich nehme doch nicht an, Sie stellen jetzt eine ganz und gar unpassende Forderung, bevor Sie mir mein Notizbuch zurückgeben.«
»Hm. Das hatte ich eigentlich nicht vor. Aber der Gedanke ist in der Tat faszinierend.«
»Lord Northwood!«
Mit einem breiten Grinsen gab Alexander ihr das Notizbuch. Als sie es entgegennahm, berührten sich ihre Hände. Sie errötete leicht und zog den Arm zurück.
Ihre Reaktion hatte nichts mit Schüchternheit zu tun, so viel war klar. Das Ganze wirkte eher, als hätte sie nicht die geringste Ahnung, was sie mit ihm anfangen sollte, und dieser Mangel an Wissen brächte sie in Verlegenheit.
Lydia biss sich auf die Unterlippe und hielt den Blick auf seine Brust geheftet. Er nahm die Gelegenheit wahr, sie in dem Lichtstrahl, der durch das Fenster fiel, eingehender zu betrachten. Jetzt bemerkte er Details, die ihm gestern Abend nicht aufgefallen waren.
Den sanften Schwung ihrer Augenbrauen, die blassen Sommersprossen auf den Nasenflügeln, die vollen Lippen – nein,
die
hatte er schon bemerkt, als er ihr nahe genug gekommen war, um ihren Atem zu spüren. Doch jetzt waren sie ungeschminkt, und er konnte ihre natürliche Farbe sehen. Es war ein leichtes Aprikosenrot. Vermutlich schmeckte sie auch so, süß und saftig wie eine Aprikose.
Verdammt.
Alexander trat einen Schritt zurück und versuchte, seine Erregung in den Griff zu bekommen, zwang sich, seine Augen nicht gierig über Lydia Kellaways Körper wandern zu lassen, mit seinem Blick die Rundung ihrer vollen Brüste nachzuzeichnen, den Schwung ihrer Taille, der herrlichen Hüften …
Halt.
Er musste unbedingt aufhören, sie so anzustarren. Daher wandte er seine Aufmerksamkeit den Büchern zu, die er auf dem Tisch abgelegt hatte. Für einen Mann, der sich einiges auf seine Selbstkontrolle einbildete, benahm er sich gerade wie ein lüsterner Grünschnabel.
Entschlossen ignorierte er seine körperlichen Reaktionen und konzentrierte sich auf den Titel des Buches, das zuoberst auf dem Stapel lag.
Introductio in analysin infinitorum.
Einen nach dem anderen nahm er die Bände zur Hand und las die Titel.
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