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Das Rätsel

Titel: Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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eine Welt des Krieges, aber das ist vorbei, weil die Waffen von heute zu groß und zu unpersönlich sind. Der Zweite Weltkrieg wurde noch von Menschen ausgefochten, die bereit waren, sich für ihre Ideale zu opfern. Wenn die modernen Arsenale den Krieg zu einer sterilen, anonymen Angelegenheit machen, bei der Computer und Techniker ferngesteuert Bomben über den Himmel jagen, was ist uns da geblieben?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Was bleibt, ist eine einzige Überzeugung, und die ist uns allen hier im Einundfünfzigsten Bundesstaat heilig. Es ist dieÜberzeugung, dass die Menschen ihre Werte und ihre Opferbereitschaft wiederentdecken, dass sie sich läutern, ihren Pioniergeist aufleben lassen werden, wenn man ihnen unverfälschtes Land zur Verfügung stellt und ihnen das verspricht, was diese Nation einmal war.«
    Manson lehnte sich auf seinem Stuhl nach vorne und breitete die Arme weit aus. »Die Leute dürfen keine Angst haben, Professor. Angst macht alles kaputt. Die Männer und Frauen, die vor zweihundert Jahren da standen, wo wir jetzt stehen, und zu diesen selben Bergen hinübersahen, denselben Anblick vor sich hatten, die kannten die Herausforderung. Die kannten Mühsal und Entbehrungen. Und sie überwanden die Angst vor dem Unbekannten.«
    »Das kann man wohl sagen«, pflichtete Jeffrey bei.
    »Unsere Herausforderung heute besteht darin, die Angst vor dem Unbekannten zu überwinden.«
    Manson schwieg und lehnte sich auf seinem Sessel zurück.
    »Das ist also die Idee hinter der Gründung unseres Staates: Wir schaffen eine Welt für sich. Einen Staat im Staat. Wir schaffen Entfaltungsmöglichkeiten und Sicherheit. Wir nehmen das, was in dieser Nation einmal selbstverständlich war, und geben es den Leuten wieder. Und wissen Sie, was passieren wird?«
    Jeffrey schüttelte den Kopf.
    »Es wird wachsen. Sich ausdehnen. Unaufhaltsam.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Ich will damit sagen, dass das, was wir hier schaffen, langsam, aber sicher auch das übrige Land erfassen wird. Es mag Generationen dauern – so wie beim ersten Mal auch. Aber früher oder später wird unsere Lebensart all den Schrecken und den moralischen Verfall, wie sie außerhalb unseres Staates herrschen, vernichten. Schon jetzt sehen wir, dass einigeder Gemeinden in den Grenzgebieten ein paar von unseren Gesetzen und unseren Richtlinien übernehmen.«
    »Und das wären?«
    Manson zuckte die Achseln. »Eine Menge davon haben Sie schon gesehen. Wir beschneiden einige Rechte des Ersten Zusatzartikels. Religionsfreiheit haben wir. Freiheit der Rede – schon weniger. Und die Presse? Sie gehört uns. Wir schränken außerdem die Rechte aus dem Vierten Zusatzartikel ein. Das Recht auf Durchsuchung und Beschlagnahmung behalten wir uns vor. Wir beschneiden die Rechte aus dem Sechsten Zusatzartikel; Sie können nicht mehr darauf bauen, Verbrechen zu begehen und sich mit Hilfe eines Winkeladvokaten freizukaufen. Und wissen Sie was, Professor?«
    »Ja?«
    »Die Leute verzichten darauf, ohne mit der Wimper zu zucken. Die Leute nehmen eine rechtlich nicht abgesicherte Durchsuchung in Kauf, wenn es dafür nicht nötig ist, vor dem Schlafengehen die Haustür abzuschließen. Und wir gehen jede Wette ein, dass es jenseits unserer Grenzen mehr Leute gibt wie uns. Und dass das, was wir haben, langsam, aber unaufhaltsam die übrige Nation erfassen wird.«
    »Wie eine Infektion?«
    »Eher wie ein Erwachen. Eine Nation, die aus einem langen Schlaf erwacht. Wir sind nur ein bisschen früher aufgestanden als die anderen.«
    »Bei Ihnen klingt das wie etwas, das man sich nur wünschen kann.«
    »Das ist es auch. Sagen Sie, Professor, wann haben Sie persönlich in Ihrem Leben je auf eine der verfassungsgemäßen Sicherheitsgarantien zurückgegriffen? Wann haben Sie je gesagt: ›Das ist der Moment, in dem ich von meinen Rechten aus dem Ersten Zusatzartikel Gebrauch mache‹?«
    »Soweit ich mich entsinne, war ich noch nie darauf angewiesen. Das heißt aber noch lange nicht, dass ich sie nicht haben will, falls ich nicht doch einmal darauf zurückgreifen muss. Ich weiß nicht, wenn es darum geht, Grundrechte aufzugeben …«
    »Wenn aber dieselben Rechte Sie versklaven, wären Sie dann nicht ohne sie besser dran?«
    »Das ist eine schwierige Frage.«
    »Aber die Menschen lassen sich doch jetzt schon quasi in Gefängnisse sperren. Sie leben in geschlossenen Siedlungen hinter gesicherten Schranken. Sie gehen nur noch bewaffnet auf die Straße. Die Gesellschaft

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