Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Rätsel

Titel: Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
Vom Netzwerk:
lagen ein, zwei Fragen auf der Zunge, doch er sprach sie nicht aus. Dafür merkte er sich die Äußerung von Starkweather sehr wohl.
    Manson wippte in seinem Stuhl und pfiff leise durch die Zähne. »Was meinen Sie, Professor, wie unsere Zielperson auf diesen Namen gekommen ist? Gilbert D. Wray. Sagt Ihnen das was?«
    »Wiederholten Sie das noch einmal«, forderte Jeffrey unvermittelt.
    Manson antwortete nicht. Er lehnte sich nur erneut vor.
    »Was ist?«, wollte Bundy wissen, als spräche er für Manson.
    »Der Name, verdammt. Sagen Sie es noch mal, schnell.«
    Der Verknitterte setzte sich auf dem Sofa zurecht. »Gilbert D. Wray. Wray …, gab’s nicht mal eine Schauspielerin, vor fast hundert Jahren, namens Kay Wray? Nein, Fay Wray. Ja. Die im ersten
King Kong
. Blond und berühmt für ihren Schrei, entsinne ich mich. Gibt es vielleicht eine andere Aussprache?«
    Jeffrey lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Er schüttelte den Kopf. »Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen«, meinte er und sah Manson dabei an. »Man sollte meinen, dass ich den Namen hätte wiedererkennen müssen, als ich ihn das erste Mal sah. Aber da hab ich ihn nicht laut ausgesprochen. Wie dumm von mir.«
    »Wiedererkennen?«, wiederholte Manson. »Ich verstehe nicht.«
    Jeffrey lächelte, auch wenn ihm hundeelend war. »Gilbert D.Wray. Sagen Sie es einmal mit leicht französischem Einschlag. Dann klingt es fast wie Gilles de Rais.«
    »Wer ist das?«, fragte Bundy.
    »Eine schillernde Figur aus der Geschichte«, antwortete Jeffrey.
    »Ja«, bestätigte Manson.
    »Und Joan D. Archer. Die Kinder Henry und Charles. Und sie kamen aus New Orleans hierher. Wie offensichtlich. Hätte mir gleich ins Auge springen müssen. Was für ein Idiot ich war.«
    »Was hätte Ihnen ins Auge springen müssen?«
    »Gilles de Rais war eine wichtige Figur im Frankreich des dreizehnten Jahrhunderts. Er wurde ein berühmter Heerführer im Kampf gegen die britischen Eroberer. Er war, wie die Geschichte uns lehrt, der maßgebliche Waffengefährte und einer der glühendsten Anhänger von Jeanne d’Arc. Oder, wie man sie auch nennt, der Jungfrau von Orleans. Und die kriegführenden Rivalen? Wie zwei streitende Kinder, Henry von England und der Dauphin, Charles von Frankreich.«
    Wieder herrschte eine Weile Schweigen.
    »Aber was hat das mit …«, setzte Starkweather an.
    Jeffrey unterbrach ihn. »Gilles de Rais war nicht nur ein brillanter Militär und ein reicher Adliger obendrein, sondern auch einer der schrecklichsten Kindsmörder mit einer Opferbilanz, die in der Geschichte ihresgleichen sucht. Man nimmt an, dass er innerhalb der Mauern seines Schlosses mehr als vierhundert Kinder in sadistischen, sexuellen Ritualen hingeschlachtet hat, bevor er entlarvt und schließlich geköpft wurde. Ein faszinierender Mann. Eine Ausgeburt des Bösen, die hingebungsvoll und tapfer an der Seite einer Heiligen gekämpft hat.«
    »Du lieber Himmel«, pfiff Bundy durch die Zähne. »Da hol mich doch der Teufel.«
    »Gilles de Rais hat er sicher geholt«, meinte Jeffrey leise, »auch wenn er denen, die im Jenseits das Sagen haben, gewiss vor eine interessante Frage gestellt hat: Was macht man nun mit einem solchen Mann? Vielleicht gestattet man ihm einmal pro Jahrhundert einen Tag Urlaub von den ewigen Höllenqualen. Würde das einen Mann angemessen entlohnen, der mehr als einmal einer Heiligen das Leben gerettet hat?«
    Niemand beantwortete diese Frage.
    »Wie dem auch sei, was schließen Sie nun daraus, dass unsere Zielperson diesen Namen benutzt hat?«, fragte Starkweather ärgerlich.
    Jeffrey überlegte. Er merkte, dass er das sichtliche Unbehagen des Politikers genoss. »Ich würde sagen, dass unsere Zielperson, das heißt, mein Vater, na ja … dass er sich für die moralischen und philosophischen Fragen interessiert, die das absolut Gute und das absolut Böse aufwerfen.«
    Starkweather starrte Jeffrey enttäuscht und wütend an, entgegnete aber nichts.
    Jeffrey dagegen nutzte die kurze entstandene Pause und sagte: »So wie ich.«
     
    Ein paar Sekunden lang glaubte Jeffrey, mit dieser Bemerkung das Ende der Sitzung einzuläuten. Manson hatte das Kinn auf die Brust gedrückt und schien tief in Gedanken, auch wenn ihn das nicht daran hinderte, sich weiter mit der Schneide seines Brieföffners über die Handfläche zu streichen. Dann plötzlich schlug der Direktor der Staatssicherheit seine Waffe auf den Tisch, so dass es einen Knall wie von einer kleinen Pistole gab.
    »Ich würde

Weitere Kostenlose Bücher