Das Rascheln von Rosmarin (Historische Romane) (German Edition)
Lächeln. „Aber jetzt müsst Ihr ruhen.“
„Das will ich tun. Und wenn es morgen ist, habe ich dir viel zu erzählen, meine über alles geliebte Tochter, und ich werde keine Widerworte von dir hören.“
~*~
Der Tag, der auf den der Christmette folgte, war ein kalter, klarer Tag und die Sonne stand hoch am Himmel. Maris hielt sich die Hand vor die Augen, um sie vor dem hellen Widerstrahl des Schnees zu schützen, als sie sich auf den Weg zu den Ställen machte.
Ihre Stute Hickory wieherte leise aus der letzten Box hinten links. Maris murmelte ihr besänftigende Worte zu, streichelte das weiche, schwarze Maul, das sich in den Falten ihres leuchtend blauen Umhangs auf die Suche nach dem getrockneten Apfel machte, der darin versteckt war. Sie gab Hickory schließlich den Leckerbissen und kniete sich dann im Stall nieder, um sich das verletzte Bein anzuschauen.
Der gestrige Wickel war schon längst eingetrocknet und Maris schälte die einzelnen Streifen langsam ab. Sachte tastete sie die gesamte Länge des Vorderbeines entlang, wobei sie spürte, wie die Stute zusammenzuckte, als sie auf den Muskel drückte, der eine Woche zuvor etwas gezerrt worden war. Die Schwellung der Schürfwunde gegen den rauen Stein war abgeklungen, aber die Stute hatte noch zu viele Schmerzen, um richtig damit aufzutreten.
Noch bevor der von ihr vorbereitete warme Wickel mit den heilenden Kräutern abkühlen konnte, presste Maris das Tuch, das die Kräuter enthielt, auf die gereizte Stelle an Hickorys Bein. Das Pferd schnaubte leise und stieß die Nase von oben gegen den Kopf ihrer Herrin. Während sie die Kräutermixtur an Ort und Stelle festhielt, wickelte sie saubere Streifen von Tuch darum und band es auf diese Weise fest um das verletzte Bein.
Sie war gerade dabei, sich aufzurichten, als das Geräusch von herbeieilenden Schritten an ihre Ohren drang.
„Mylady!“
Maris kämpfte gegen die kalten Krallen, die ihr Herz wie mit Eis abzuschnüren drohten. Papa?
Sie wirbelte herum, um zu sehen, wer mit solcher Hast in den Stall gerannt kam.
„Mylady, Ihr müsst sofort kommen. Die Frau von Thomas dem Küfer – sie kämpft und kämpft, um ihr Baby auf diese Welt zu bringen – aber’s will nich’ recht. Ich hab’ alles getan, was ich nur konnte.“ Die Witwe Maggie flehte sie an. Sie war nicht annähernd so alt, wie die Falten in ihrem Gesicht den Anschein gaben, und heute schienen diese noch tiefer und ernster, als sie es ohnehin schon waren.
„Selbstverständlich werde ich kommen.“ Erleichterung durchströmte Maris. Sie war immer froh, wenn sie Beschäftigung für ihre Hände und Gedanken fand. Schon eilte sie an der älteren Frau vorbei aus dem Stall.
Außerhalb des Donjon heulte jetzt ein scharfer Wind und Schnee flog schwer um ihren Umhang und die drei Lagen von Tuch, die Witwe Maggie um sich gewickelt hatte. Maris kannte den Weg zu der Heimstatt von Thomas dem Küfer wohl und stapfte nun, so schnell es ihr möglich war, durch den knietiefen Schnee.
Es war ihr nicht einmal in den Sinn gekommen einen Soldaten zur Begleitung mitzunehmen, wenn sie zu einem der Dorfbewohner ging. Maris wusste: auf ganz Langumont gab es keine Menschenseele, die es wagen würde, ihr etwas anzutun, oder auch nur danach trachten würde, ihr ein Haar zu krümmen. Und falls jemand etwas derlei Törichtes versuchte, würde die tödliche Strafe auf dem Fuße folgen.
Abgesehen davon würde es zu lange dauern, um jemanden kommen zu lassen, der sie bei einer derart dringlichen Angelegenheit wie dieser hier begleiten würde.
Als sie dort rasch voranschritt, fragte Maris sich nicht zum ersten Male, worüber ihr Papa wohl mit ihr zu sprechen wünschte – aber was auch immer es war, es würde bis zu ihrer Rückkehr warten müssen. Papa lag das Wohlergehen der Einwohner von Langumont ebenso am Herzen wie ihr selbst. Denn ohne diese gäbe es niemanden, das Land zu bestellen, keine Handwerker, die ihrem Gewerbe nachgingen, und das gesamte Herrenhaus würde dem Verfall anheim fallen.
Jeder Gedanke an ihren Vater schwand, als Maris sich der dunklen, nasskalten Hütte näherte. Sie konnte die Schreie der Frau drinnen hören.
Sie holte noch einmal tief Luft – sowohl um ihre eigenen Nerven zu beruhigen, wie auch um den Gestank von Blut, Urin und anderen Abfällen zu verscheuchen – und zog den Kopf ein, schob die schwere Tür auf und trat in die Hütte ein.
In einer Ecke der Behausung
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