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Das Reich der Sieben Städte

Das Reich der Sieben Städte

Titel: Das Reich der Sieben Städte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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»Aren.«
    Duiker setzte sich kerzengerade auf. »Wahnsinn! Das sind zweihundert Längen!«
    »Genau gesagt, zweihundertundeine«, sagte Lull und bleckte grinsend die Zähne.
    »Führt Pormqual einen Gegenangriff? Marschiert er nach Norden, um uns auf halbem Weg entgegenzukommen? Weiß er überhaupt, dass es uns gibt?«
    Bult wandte den Blick nicht von dem Historiker ab. »Ob er es weiß? Ich möchte es doch annehmen, Historiker. Wird er aus Aren herausmarschieren? Einen Gegenangriff beginnen?« Der Veteran zuckte die Achseln.
    »Auf dem Weg hierher habe ich eine Kompanie Pioniere gesehen«, sagte Lull. »Sie haben geweint, alle miteinander.«
    »Warum?«, fragte Chenned. »Liegt ihr unsichtbarer Kommandant auf dem Grund des Sekala, den Mund voller Schlamm?«
    Lull schüttelte den Kopf. »Sie haben jetzt keine Sprengkörper mehr. Nur noch ein oder zwei Kisten Splitter- und Brandbomben. Man hätte meinen können, alle ihre Mütter wären gerade abgekratzt.«
    Endlich meldete sich Coltaine zu Wort. »Sie haben ihre Sache gut gemacht.«
    Bult nickte. »Stimmt. Ich wünschte, ich hätte dabei sein und zusehen können, als die Straße hochgegangen ist.«
    »Wir waren da«, sagte Duiker. »Der Sieg schmeckt umso süßer, je weniger grässliche Erinnerungen mit ihm verbunden sind, Bult. Genieße ihn also.«
     
    Duiker erwachte in seinem Zelt, als ihn eine weiche kleine Hand an der Schulter rüttelte. Er öffnete die Augen; um ihn herum war es dunkel.
    »Historiker«, erklang eine Stimme.
    »Neder? Wie spät ist es? Wie lange habe ich geschlafen?«
    »Es ist etwa zwei«, antwortete sie. »Coltaine befiehlt Euch, mit mir zu kommen. Jetzt gleich.«
    Duiker setzte sich auf. Er war viel zu müde gewesen, um etwas anderes zu tun, als einfach nur seine Decken auf dem Boden auszubreiten. Jetzt waren sie von Schweiß und Kondenswasser durchnässt. Er erschauerte angesichts der Kühle. »Was ist passiert?«, fragte er.
    »Bis jetzt noch nichts. Ihr sollt Zeuge werden. Schnell jetzt, Historiker. Wir haben nicht viel Zeit.«
    Er trat hinaus in ein Lager, das in der Stunde der tiefsten Finsternis, kurz vor dem Beginn der falschen Morgendämmerung, leise stöhnte. Es war ein schreckliches Geräusch aus Tausenden von Kehlen, das dem Historiker einen kalten Schauer über den Rücken jagte, eine Mischung aus dem Gemurmel der Verwundeten, die trotz ihrer Erschöpfung nur unruhig schliefen, den leisen Schreien der Soldaten, die von Feldschern und Heilern behandelt wurden, und dem Muhen des Viehs, das alles noch mit dem Getrappel seiner unruhigen Hufe unterlegte. Von irgendwo auf der Ebene nördlich von ihnen erklang schwaches Wehklagen – Witwen und Mütter, die die Toten betrauerten.
    Während er der lebhaften, in einen Wollumhang gehüllten Gestalt der kindlichen Waerloga durch die gewundenen Gassen des wickanischen Lagers folgte, stiegen sorgenvolle Gedanken in dem Historiker auf. Die Toten waren durch das Tor des Vermummten gegangen. Die Lebenden waren mit ihrem Schmerz zurückgeblieben. Als Historiker hatte Duiker viele Völker kennen gelernt, und alle ohne Ausnahme hatten über ein Ritual der Trauer verfügt. Wir mögen noch so viele eigene Götter anbeten – letztendlich umarmt uns alle doch allein der Vermummte, in tausend verschiedenen Gestalten. Wenn der Atem seines Tores nah an uns heranweht, erheben wir unsere Stimmen, um das ewige Schweigen zurückzudrängen. Heute Nacht hören wir die Semk. Und die Tithansi. Gute, geordnete Rituale. Wer braucht schon Tempel und Priester, um die Gefühle von Verlust und Entsetzen zum Ausdruck zu bringen und zu ordnen — wenn doch alles heilig ist?
    »Neder, warum trauern die Wickaner heute Nacht nicht?«
    Sie drehte sich halb zu ihm um, ging dabei aber weiter. »Coltaine verbietet es.«
    »Warum?«
    »Ihr müsst ihn schon selbst fragen. Seit diese Reise begonnen hat, haben wir unsere Toten noch kein einziges Mal betrauert.«
    Duiker schwieg eine Weile, dann sagte er: »Und wie fühlst du dich dabei, Neder? Und die anderen Mitglieder der drei Clans?«
    »Coltaine befiehlt, wir gehorchen.«
    Sie erreichten den Rand des wickanischen Lagers. Hinter dem letzten Zelt erstreckte sich ein eingeebneter Todesstreifen von vielleicht zwanzig Schritt Breite, dahinter erhoben sich die neu errichteten Barrikaden aus Weidengeflecht der Außenposten, durch die lange Bambusstangen gestoßen worden waren, deren Spitzen in der Höhe einer Pferdebrust nach außen wiesen. Berittene Krieger des Wiesel-Clans

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