Das Reliquiar
Lösung erfordert. Eine endgültige Lösung.«
25
Schloss Sandriano, 15. November 2006
Elena und Nicholas standen sehr früh auf und gingen nach unten, um zu frühstücken. Als sie Hand in Hand die Küche betraten, konnte Marta ein liebevolles Lächeln nicht zurückhalten.
Während sie ihre Erlebnisse erzählten, fühlte sich Elena auf seltsame Weise gelöst, als beträfen all diese Dinge eine andere Person und als wären die Ereignisse Teil einer fernen Vergangenheit. Es schwang erst Gefühl in ihrer Stimme mit, als sie von Enzo sprach. Mit einem bitteren Lächeln reagierte sie auf Martas Ungläubigkeit – sie hatte sich von dem Mann täuschen lassen, der nicht nur ihr Mentor gewesen war, sondern eine Zeit lang auch ihr Partner.
Nach dem Frühstück zogen sie sich in das Arbeitszimmer ihres Großvaters zurück, und Elena wies darauf hin, dass sie nicht gestört werden wollten.
Eine Stunde lang beschäftigten sie sich mit dem von Beatrice stammenden Text und den beiden Seiten aus Lodovicos Tagebuch. Sie hielten die Blätter ins Licht, betrachteten sie mit dem Vergrößerungsglas und notierten verständliche Worte, ohne Ergebnis.
»Dein Großvater hat nichts entdeckt, weil es in Beatrices Text nichts zu entdecken gibt«, sagte Nicholas. »Zumindest nicht in diesem .«
»Ja«, pflichtete ihm Elena bei. »Ich kenne einen kryptographischen Spezialisten und könnte ihm das hier zeigen, aber es brächte vermutlich auch nichts.« Sie sah Nicholas an. »Uns bleibt nichts anderes übrig, als nach direkten Antworten auf unsere Fragen zu suchen.«
»Du möchtest, dass uns Beatrice zeigt, was geschehen ist.«
»Ja.«
»Die Entscheidung liegt bei dir, Liebling.«
»Ich muss Bescheid wissen, Nick.«
Er stand auf, zog den Vorhang vors Fenster und schaltete die Stehlampe ein. Elena legte sich aufs Sofa und entspannte sich. »Alles in Ordnung?«, fragte Nicholas.
»Es kann losgehen«, sagte Elena und schloss die Augen.
»Ich bin mit dem Bild fertig, Signora«, sagte Jacopo. »Jetzt könnt Ihr es sehen.«
Beatrice näherte sich und betrachtete das Gemälde, verglich die Darstellung mit dem Original auf dem amarantroten Samtkissen. »Ein Meisterwerk, in allen Einzelheiten perfekt«, sagte sie und lächelte. »Ihr habt Euch Euren Lohn redlich verdient.«
»Eure Zufriedenheit ist mir Lohn genug, Signora. Auch wenn ich nicht verstanden habe, warum ich die ses Kreuz für Euch malen sollte. Ihr wisst ja, dass Objekte mich kaum interessieren. Ich male lieber das Leben …«
Beatrice warf ihm einen schelmischen Blick zu. »Ich bin mit Euren Vorlieben durchaus vertraut. Genau deshalb bewundere ich Eure Kunst. Dieses Bild ist nicht für mich, sondern ein Hochzeitsgeschenk für Lucinda
Altieri. Ihr wisst ja, dass wir Sandriano bald verlassen und nach Rom zurückkehren.«
Jacopo legte Palette und Pinsel beiseite, wischte sich mit einem Tuch die Hände ab und ergriff dann Beatrices Hand. »Und ich folge Euch, keine Sorge. Es freut mich, dass Euch das Bild gefällt, doch die einzig wahre Inspiration kommt von Euch, Beatrice.« Er verbeugte sich und hauchte ihr einen Kuss auf die Hand.
In diesem Moment öffnete sich die Tür, und Porzia kam herein.
Beatrice wich zurück, aber nicht schnell genug. »Wie oft habe ich dir gesagt, dass du anklopfen sollst?«, wies sie das Dienstmädchen zurecht.
»Ich habe geklopft, Herrin, aber vielleicht seid Ihr zu beschäftigt gewesen, um es zu hören«, erwiderte Porzia. Sie konnte die frechen Worte einfach nicht zügeln.
Beatrice richtete einen zornigen Blick auf sie. »Was ist?«
»Ich wollte Euch nur sagen, dass der Händler aus Florenz eingetroffen ist. Ihr habt ihn doch erwartet.«
»Sag ihm, dass ich ihn gleich empfangen werde«, sagte Beatrice und schickte Porzia mit einem Nicken fort. Als sich die Tür geschlossen hatte, seufzte sie verärgert. »Was für eine Frechheit!«, entfuhr es ihr. »Sie glaubt, sich alles herausnehmen zu können, weil sie die Geliebte meines Mannes ist. Bestimmt ist sie absichtlich ohne anzuklopfen hereingekommen, in der Hoffnung, mich bei irgendeiner Unanständigkeit zu ertappen und Urbano davon berichten zu können.«
»Ärgert Euch nicht zu sehr. Euer Gemahl würde bestimmt
nicht auf das Geschwätz eines Dienstmädchens hören.«
»Ihr unterschätzt Porzias Hinterlist, mein lieber Freund.«
»Warum schickt Ihr sie nicht einfach fort, wenn Euch ihre Präsenz so sehr stört?«
»Weil Urbano mir das verboten hat. Ich muss sie ertragen, solange er
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