Das Reliquiar
ihrer nicht überdrüssig geworden ist.« Beatrice straffte die Schultern und schüttelte den Kopf. »Ich würde gern ein wenig reiten«, sagte sie. »Ich bringe das Kreuz in mein Zimmer, spreche mit dem Händler, und anschließend machen wir einen Ausritt.«
»Wie Ihr wollt, Signora«, erwiderte Jacopo mit einem Lächeln. Er wusste sehr wohl, was Beatrices Worte bedeuteten.
»Wo hast du gesteckt? Mein Elfenbeinkamm ist verschwunden; ich kann ihn nirgends finden.«
Beatrice probierte ein neues Gewand aus dem Damast an, den sie von dem florentinischen Händler erworben hatte. Der weiche Stoff glänzte in dunklem Grün, das fast der Farbe ihrer Augen entsprach und manchmal blau wie das Meer schimmerte.
Porzia kramte bei den Toilettenartikeln, die auf dem Bord lagen. »Hier ist der Kamm, Herrin«, sagte sie und zeigte ihn.
»Ah, gut.« Beatrice nickte und streckte die Hand aus. »Hilf mir von diesem Gestell herunter.«
»Aber wir sind noch nicht mit der Anprobe fertig«, wandte die Schneiderin ein.
»Für heute habe ich genug«, sagte Beatrice und stieg
vom Sitzbock herunter. »Nehmt mir dieses Zeug ab, bevor ich es in Stücke reiße.«
Die Frauen kamen ihrer Aufforderung rasch nach, und nachdem die Schneiderin und ihre Gehilfinnen den Raum verlassen hatten, half Porzia ihr dabei, einen Morgenrock überzustreifen. »Soll ich Euch kämmen, Herrin?«, fragte das Dienstmädchen.
Beatrice nahm seufzend auf dem gepolsterten Schemel Platz. »Das gehört zu deinen Aufgaben, die du in letzter Zeit immer mehr vernachlässigst.«
Porzia antwortete nicht und begann damit, die kupferroten Locken ihrer Herrin zu kämmen – nur die zusammengepressten Lippen wiesen darauf hin, dass sie sich über die vorwurfsvollen Worte ärgerte. Sie wusste, dass Beatrice sie im Spiegel beobachtete, vermied es aber, ihrem Blick zu begegnen.
Beatrice öffnete den Schmuckkasten und runzelte einige Sekunden später die Stirn. »Meine Rubinbrosche fehlt«, sagte sie.
Porzia fiel der Kamm aus der Hand. Sie bückte sich, hob ihn auf und murmelte eine Entschuldigung.
Beatrice drehte sich um und hielt sie am Handgelenk fest. »Hast du sie gesehen?«
»Nein, Herrin«, antwortete das Dienstmädchen und schüttelte den Kopf. »Bestimmt befindet sich die Brosche unter dem anderen Schmuck. Ihr habt auch den Kamm verloren geglaubt, und doch lag er an seinem Platz.«
»Wenn ich herausfinde, dass du sie gestohlen hast...«
»Das habe ich nicht, ich schwöre es!«, erwiderte Porzia sofort.
Doch es entging Beatrices Aufmerksamkeit nicht, dass
sich ihre Wangen röteten. Es bestand kein Zweifel für sie: Das Dienstmädchen log. »Wer steckt dann dahinter? Heraus damit! Oder soll ich dich erneut auspeitschen lassen?«
Porzia erzitterte, entsetzt von der Vorstellung, noch einmal die Peitsche ertragen zu müssen. »Herr Jacopo hat die Brosche!«, rief sie.
Beatrice stand mit einem Ruck auf. »Jacopo? Was sagst du da? Wieso hätte er mir die Brosche stehlen sollen?«
»Um sie mir zu schenken, aus Dank!«
»Aus Dank wofür?«, fragte Beatrice verblüfft.
»Weil ich ihm mehr Befriedigung verschafft habe als Ihr.«
Beatrice versetzte dem Dienstmädchen eine schallende Ohrfeige. »Lügnerin!«
Porzia hob den Kopf und sah sie spöttisch an. »Es ist die Wahrheit!«
»Die Wahrheit wird sich gleich herausstellen!« Beatrice zog Porzia mit sich zur Tür und dann durch den Flur. Kurze Zeit später stieß sie die Tür des Zimmers auf, in dem Jacopo arbeitete.
Er runzelte die Stirn, als er die beiden Frauen sah. »Was ist los?«, fragte er.
Beatrice gab Porzia einen Stoß, der sie nach vorn taumeln ließ. »Seid Ihr mit dieser Dirne im Bett gewesen?«
»Natürlich nicht!«, antwortete Jacopo, aber er warf einen unruhigen Blick auf das Dienstmädchen.
Was der Aufmerksamkeit von Beatrice keineswegs entging. »Warum habt Ihr sie auf diese Weise angesehen?«
Porzia trat auf Jacopo zu und lächelte herausfordernd. »Leugnet Ihr etwa, dass Ihr mich neulich Abend in Eurem
Bett hattet? Und dass Ihr mir eine mit Rubinen besetzte Brosche geschenkt habt, aus... Dank?«
Von Beatrices wütendem Blick durchbohrt, wich Jacopo einen Schritt zurück.
»Sagt mir, dass das alles gelogen ist!«, rief sie.
Die Stimme des Künstlers war kaum mehr als ein Flüstern, als er sagte: »Ich habe sie in meinem Zimmer und in meinem Bett vorgefunden, das kann ich nicht leugnen, aber ich habe ihr gesagt, dass sie sich anziehen und gehen soll. Und ich habe ihr ganz sicher nichts
Weitere Kostenlose Bücher