Das Remake
den Volvo nicht verlassen hatte, fand sich Rex im Eingang einer Art gigantischen Frachtraums wieder. Er war monströs. Gewaltig. Das Heck des Volvos hatte offensichtlich mehr als nur ein wenig zum Inhalt der riesigen Halle beigetragen. Und obwohl die riesige Halle so riesig war, war sie vollgestopft. Bis unters Dach.
»Kunst«, flüsterte Rex. »Das ist Kunst!«
Und in der Tat, es war Kunst. Massen von Kunst. Reihe auf Reihe titanischer Gemälde, gerahmt in Gold, hing an stählernen Gestellen. Rex wanderte von Ehrfurcht geschlagen zwischen ihnen umher. Dort gab es Statuen und Büsten, Sektionen von Wandfresken, Gobelins und Mosaike. Hunderte von ihnen. Nein, Tausende. Rex zog seine Unterhose hoch. Er war in einem echten Museum gelandet, daran konnte kein Zweifel bestehen.
Seine eigene Statue lag auf der Seite in der Frachthalle, denn so erschien ihm das Heck des Volvo nun, und sie wirkte kein Stück fehl am Platz mitten unter all den Schätzen der Alten Welt, die ringsum versammelt waren. Und warum nicht?
Nun, ich verrate Ihnen, warum nicht.
Weil nämlich, wohin Rex auch wanderte, sein Blick von einem einzigen Detail wie magisch angezogen wurde. Jedes einzelne von all diesen Bildern, Wandgemälden, jede Statue, jede Büste, jede Ikone und was auch immer zeigte ein und das gleiche grinsende Gesicht. Hier grinste es Cäsar über die Schulter, während Brutus mit dem Messer zustieß. Dort stand es in der Nachtwache, perfekt ausgeleuchtet. Und dort, in Georges de la Tours »Anbetung der Schäfer« war es das dritte von rechts. Ja, kein Irrtum möglich.
Es war ein Gesicht, das Rex beinahe so gut kannte wie sein eigenes. Ein Gesicht, wie es noch niemals zuvor eines gegeben hatte und wie es bestimmt auch niemals wiederkommen würde. Das Gesicht von Elvis Aaron Presley. Der Mann, die Lippe, die Legende.
»Elvis!«, sagte Rex Mundi mit leiser, sorgenvoller Stimme. »Was in Gottes Namen hast du nun schon wieder angestellt?«
Mein Büro ist nicht gerade das, was man schick nennen könnte. Es hat einen Schreibtisch, an dem ich sitze, und einen Stuhl, auf dem ich am Schreibtisch sitze, wenn Sie verstehen. Es gibt einen Kühltank, der nicht allzu kühl ist, und einen Fan, der mir keine Briefe schreibt. [1] Ein Telephon, das nicht mit mir spricht, und einen Teppich, über den ich gar nicht reden will.
Ich hab einen Hutständer ohne Hut darauf und einen Aktenschrank voller Memos. O ja, und ich hab natürlich auch eine Tür.
Und durch diese Tür komme ich ins Spiel. Woodbine ist der Name, Lazlo Woodbine. Privatschnüffler. Und obwohl wir hier erst auf Seite 34 sind und noch eine ganze Menge passiert, mit der ich nicht das Geringste zu schaffen hab, bin ich in diesem kleinen Epos der eigentliche Held. Zufällig. Tempus Fugit(ives) heißt es. Ein Lazlo-Woodbine-Thriller.
Also ich – ich bin kein enigmatischer Typ, deshalb erwarten Sie nicht allzu viel Kunst um der Kunst willen.
Ich bin nicht billig, aber ich bin gründlich, und ich erledige immer meinen Job. Bei mir können Sie mit einer Menge kostenlosem Sex rechnen, mit reichlich Gewalt, einer Spur aus Leichen und einem finalen Showdown irgendwo auf einem Häuserdach. So ist das nun einmal, und so war’s schon immer. Und so fängt es immer an.
Es ist eine von diesen langen, heißen Nächten in Manhattan. Hemdsärmelwetter in der großen Stadt. Mein Büro war wie der Rücksitz von Guy Stravinos Chevy: Kein Ort, an dem man nach sechs Uhr abends noch sein sollte. Ich drehe den Verschluss von einer weiteren Flasche Bud und fächele mir mit Wet Girls in the Raw frische Luft zu. Der Sommer hat die Stadt fest im Griff.
Die Kleinganoven und Taschendiebe sind getürmt, die Cops an den Straßenecken zerfließen zu Fett, und die Wagen kriechen vorbei wie Staub auf einer Grammophonnadel. Mein Kühltank dampft leise vor sich hin, und mein Deckenventilator schafft höchstens noch drei Umdrehungen pro Stunde. Es ist heiß.
Ich ziehe meinen Trenchcoat und meine Fäustlinge aus. »Verdammt«, sage ich zu mir, »wenn es noch heißer wird, ziehe ich meinen Pullover aus.«
Das Bier rinnt eisig durch meine Kehle und zischt im Hühnchenmadras, den ich zum Tee gegessen habe. Ich lehne mich in meinem Schreibtischsessel zurück und lausche dem Lärm der Stadt.
Durch das offene Fenster höre ich den Zeitungsjungen die letzten Schlagzeilen der Abendausgabe rufen, im Radio eines Nachbarn das aktuelle Spiel, das Knistern der Neonlichter, das Pupen der Pudel und die himmlischen Harmonien
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