Das Rosie-Projekt
Kühlschrank, als wollte er ihn öffnen, drehte sich dann jedoch abrupt um und zielte mit einem kräftigen Schlag auf meinen Kopf. Ich fing den Hieb ab und schob Carl sanft, aber bestimmt zu Boden, damit er merkte, dass ich dieses Manöver mehr durch Hebelwirkung als durch Kraft vollführte. Dieses Spielchen spielen wir jedes Mal, nur hatte er diesmal den Joghurt übersehen, der sich jetzt über unsere Kleidung verteilte.
»Still halten«, befahl Claudia. »Ich hole einen Lappen.«
Ein Lappen würde mein Hemd nicht ordentlich sauber bekommen. Ein Hemd zu waschen bedurfte einer Waschmaschine, Waschmittel, Weichspüler und reichlich Zeit.
»Ich werde mir eins von Gene borgen«, sagte ich und ging in ihr Schlafzimmer.
Als ich in einem unbequem weiten weißen Hemd mit dekorativen Rüschen auf der Vorderseite zurückkehrte, wollte ich endlich das »Ehefrauprojekt« vorstellen, aber Claudia war mit Fürsorgepflichten als Mutter beschäftigt. Die Situation frustrierte mich zunehmend. Ich lud mich für Samstag zum Abendessen ein und bat die beiden, keine weiteren Gesprächsthemen einzuplanen.
Die Verzögerung kam mir tatsächlich gelegen, da ich somit einige Nachforschungen zur Gestaltung von Fragebögen betreiben, eine Liste wünschenswerter Eigenschaften zusammenstellen und einen Entwurf vorbereiten konnte. All dies musste selbstverständlich neben meinen Verpflichtungen als Dozent und Forschungsmitarbeiter sowie einem Termin mit der Dekanin geschehen.
Am Freitagmorgen kam es nämlich zu einer weiteren unangenehmen Begegnung, weil ich einen Studenten wegen akademischen Betrugs hatte melden müssen. Schon zuvor hatte ich Kevin Yu einmal beim Abschreiben erwischt, und dann, beim Korrigieren seiner letzten Hausarbeit, hatte ich einen kompletten Satz aus der Arbeit eines anderen Studenten von vor drei Jahren wiedererkannt.
Nachforschungen ergaben, dass der damalige Student Kevin als privater Tutor Nachhilfe gab und mindestens einen Teil seiner Hausarbeit für ihn geschrieben hatte. Das alles war vor einigen Wochen passiert. Ich hatte die Angelegenheit gemeldet und darauf gewartet, dass der disziplinarische Prozess seinen Lauf nähme. Offenbar war die Sache komplizierter.
»Die Sache mit Kevin ist ein wenig heikel«, erklärte die Dekanin. Wir befanden uns in ihrem managermäßigen Büro, und sie trug ihr managermäßiges Kostüm, bestehend aus dunkelblauem Rock und Blazer, das sie laut Gene mächtiger erscheinen lassen soll. Sie ist klein, schlank und etwa fünfzig Jahre alt, und möglicherweise lässt das Kostüm sie größer erscheinen, aber ich verstehe nicht, warum körperliche Dominanz in einer akademischen Umgebung von Bedeutung sein sollte.
»Das ist Kevins dritter Verstoß, und laut Universitätsregeln müsste er der Hochschule verwiesen werden«, fuhr sie fort.
Die Sachlage schien klar und die notwendige Handlung offensichtlich. Ich versuchte das Heikle zu ergründen, auf das die Dekanin verwiesen hatte. »Sind die Beweise unzureichend? Will er sie juristisch anfechten?«
»Nein, alles ist vollkommen klar. Aber sein erster Verstoß war recht naiv. Er hatte sich Sachen aus dem Internet zusammengesucht und war von der Plagiatssoftware erwischt worden. Damals studierte er im ersten Jahr und sprach nicht besonders gut englisch. Zudem sind da die kulturellen Unterschiede.«
Von diesem Betrug hatte ich gar nichts gewusst.
»Das zweite Mal hatten Sie ihn gemeldet, weil er etwas aus einer unbedeutenden Arbeit übernommen hatte, die Sie zufälligerweise kannten.«
»Korrekt.«
»Don, kein anderer Dozent ist so … wachsam … wie Sie.«
Es war ungewöhnlich, dass die Dekanin mich für meine Aufmerksamkeit und Hingabe lobte.
»Diese jungen Leute zahlen einen Haufen Geld, damit sie hier studieren dürfen. Wir sind auf ihre Gebühren angewiesen. Natürlich wollen wir nicht, dass sie ungeniert aus dem Internet klauen. Aber wir müssen anerkennen, dass sie Hilfe brauchen, und … Kevin hat nur noch ein Semester. Wir können ihn nach diesen dreieinhalb Jahren nicht ohne Abschluss nach Hause schicken. Das macht keinen guten Eindruck.«
»Was, wenn er Medizinstudent wäre? Was, wenn Sie ins Krankenhaus kämen, und der Arzt, der Sie operiert, hätte bei seinem Examen betrogen?«
»Kevin ist kein Medizinstudent. Und er hat nicht beim Examen betrogen, er hat sich nur etwas Hilfe für eine Hausarbeit geholt.«
Wie es aussah, hatte die Dekanin mich nur deshalb gelobt, um unethisches Verhalten meinerseits zu
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