Das Runenschwert (Die Saga von den drei Königreichen) (German Edition)
Feind vom Meer ist unberechenbar. Während ein Kämpfer, der von einem Nachbarland angriff sich zur Not immer auf sein Gebiet zurückziehen konnte, selbst wenn das hunderte von Meilen entfernt war, gab es für einen Norr, der von seinen Männern getrennt wurde nur noch eines: so viele Gegner wie möglich mit in den Tod nehmen.
Allerdings war in der Stadt so gut wie kein Feind auszumachen g ewesen. Ein Mann wurde hinter einer Tonne hervorgezerrt, er war jedoch so verschreckt und sah so hilflos aus, dass er mühelos abgeführt werden konnte. Gareth war froh, dass Gefangene gemacht wurden - unter seinem Vater hatte es eine andere Politik gegeben. Für jeden toten Norr hatte es einen Silberkuning gegeben.
Der Weg zur Festung hinauf war für Gareth ziemlich schmerzhaft. Er sah, wie der dunkle Fleck unter dem provisorischen Verband größer wurde. Es waren schon Menschen an kleinsten Verletzungen gestorben, Jhudd Kilain zum Beispiel, der mit einer Schramme von den Kämpfen gegen die Ca’el nach Hause kam und sechs Wochen später an der immer größer gewordenen Infektion gestorben war. Gareth wünschte sich nichts so sehr wie ein Bett, wo er erst einmal schlafen könnte.
Als die Bahre im Schlossgarten ankam, lief ihm Cathyll entgegen. Er fragte sich, warum sie so aufgeregt war, denn schließlich war der Feind doch bereits besiegt worden. „Es ist alles gut“, rief er ihr en tgegen, als sie auf ihn zugelaufen kam. Erst an ihrem Gesichtsausdruck erkannte er, dass ihre Sorge ihm gegolten hatte. Mit einem Lächeln wurde er ohnmächtig.
64. Eine unschöne Begegnung
ie salzige Brise, die vom Meer herüberwehte, tat gut. Sie trieb den modrigen Geruch des Todes aus Cathylls Atemwegen, ein Geruch, der schon nach so wenigen Stunden selbst hier draußen einsetzte.
Sie hatte schon einige Tote gesehen, als sie durch die Stadt gega ngen war, am Hafen entlang, als sie die schon aufgequollenen Krieger der Drakinger im Wasser hatte liegen sehen, aber hier vor Gil’avun schienen die meisten zu liegen. Später würde sie dann auch noch mit Bran südlich zum Humb reiten, um sich anzusehen, wie die Brücke von Lleihg aussah. Späher hatten berichtet, dass dort ein verkohltes Drachenschiff lag und keine Feinde mehr zu sehen waren - sie waren offensichtlich wieder in See gestochen und würden ihr Glück weiter südlich oder nördlich versuchen. Cathyll hoffte, dass nicht zu viele ihrer Landsleute unter den Angriffen der enttäuschten Drakinger würden leiden müssen.
Die Drakinger hatten eine vernichtende Niederlage einstecken mü ssen. Allein fünf oder sechs ihrer Boote waren verbrannt, zwei waren im Sturm gekentert, viele von den darauf befindlichen Männern mussten ertrunken sein. Dazu kamen die vielen Kämpfer, die an Land ihr Leben gelassen hatten. Alleine hier am Schauplatz des schon jetzt legendären Kampfes zwischen Thorgnyr und Ketill hatten über zweihundert Drakinger ihr Leben gelassen. Wie viele davon Ketills Schwert und wie viele den Sath-Truppen zum Opfer gefallen waren, das wurde schon jetzt leidenschaftlich diskutiert. Die meisten der noch lebenden Wolfinger sprachen davon, dass Ketill alleine schon hundert getötet haben sollte. Cathyll glaubte nicht so recht daran. Die Anführer der Sath hatten die Drakinger am Ende in die Flucht geschlagen und ein fliehender Feind ist meist eine leichte Beute. Auf dem Weg zu den rettenden Booten waren wohl tatsächlich die meisten gefallen. Sie sah heraus aufs Meer und beobachtete, wie Männer Leichen aus dem Wasser zogen und die leblosen Körper am Strand auf einen Haufen legten. Die Priester der Sonne würden sich der Toten annehmen, auch wenn vielleicht nicht alle Opfer Anhänger ihrer Kirche waren. Man würde Gebete sprechen und die Körper rituell verbrennen, das war mehr als ein Plünderer erwarten konnte.
Die Drakinger würden so schnell nicht wiederkommen, sie hatten zu starke Verluste erlitten. Und das, obwohl Thorgnyr wohl von der Anwesenheit der Soldaten aus Sath gewusst haben musste, sonst wäre er kaum mit den meisten Booten südlich und nördlich der Stadt gelandet. Es war naheliegend, dass ein Händler, Seefahrer oder fahrender Musikant gegen eine Belohnung eine Information weitergeleitet hatte. Zwischen Throndje und Ankilan fuhren immer wieder Schiffe, die meisten in friedlicher Absicht. Dieser Tag würde in die Geschichte Ankilans eingehen, denn nie zuvor war ein so massiver Überfall, der schon fast einer Invasion glich, so erfolgreich zurückgeschlagen
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