Das Schapdetten-Virus - Kriminalroman
Babynahrung erst einmal selbst. Dummerweise findet sie die Mischung so lecker, dass sie das Fläschchen gänzlich auslöffelt. Anschließend fällt sie tot um. Später wird ein Arzt gerufen, er betrachtet die Leiche des bis dahin kerngesunden Mädchens, kann keine äußeren Verletzungen feststellen und attestiert eine natürliche Todesursache. Eine Autopsie wird nicht durchgeführt, die Leiche der jungen Frau beerdigt.
Der ungewollte Vater erfährt von seinem Missgeschick. Aber das spornt ihn nur dazu an, einen erneuten Versuch zu wagen. Diesmal nimmt die Oma des Babys das Päckchen an, und wieder geht der Fütterung ein Testlöffel voraus. Auch die Oma fällt um, allerdings ist die Vergiftung nicht so schwerwiegend, und sie kann im Krankenhaus gerettet werden. Zum Glück hat das Baby nie einen Löffel abbekommen. Und da der junge Schützenbruder nicht vergessen hat, seine Adresse auf die Päckchen zu schreiben, fällt es uns nicht schwer, den Täter zu überführen. Die Leiche der Tante wird exhumiert, und die Anklage um Mord erweitert. Rein routinemäßig lassen wir auch die Vaterschaft überprüfen.« Koslowski grinste. »Was meinst du, was dabei herausgekommen ist?«
»Er war gar nicht der Vater«, riet ich.
»Richtig. Die Kindsmutter hatte zu mehreren Männern Kontakt. Doch als wir ihm die freudige Nachricht überbringen wollen, ist er tot. Ein Mithäftling hat ihn just an dem Tag umgebracht. Die dumme Nuss hatte herumerzählt, weshalb er im Knast saß. Und Knackis reagieren manchmal sehr emotional, wenn es um Kinderschänder oder Kindermörder geht. Ja«, Koslowski lehnte sich behaglich zurück. »So ist das bei Schützenfesten in Schapdetten.«
»Beruhigend zu wissen«, sagte ich. »Bodenständige Leute mit bodenständigen Problemen.«
Wir erreichten die Ausläufer der Baumberge. Dereinst, nach Klimakatastrophen und dem Abschmelzen der Pole, würde die Nordsee hier ihren ersten ernsthaften Widerstand finden. Von Münster aus bräuchten wir dann nur fünfzehn Kilometer bis zum Strand.
Hinter dem Hügel lag Schapdetten. Die Bevölkerung des Dorfes hatte sich in den letzten zwanzig Jahren vermutlich verzehnfacht. Hier waren die Grundstückspreise noch erschwinglich, und so wucherten die Einfamilienhaussiedlungen wie Schimmelpilze auf einem vergessenen Marmeladenbrot. In der jüngsten Siedlung spielten Kinder auf Lehmhaufen zwischen mehr oder weniger fertigen Neubauten.
»Und jetzt?«, fragte ich.
»Da!« Mein Beifahrer zeigte auf ein weißes Schild mit der Aufschrift Gewerbegebiet .
Es handelte sich gleichzeitig um die Abzweigung nach Appelhülsen. Ein paar Hundert Meter weiter kamen wir an zwei großen weißen Hallen vorbei. Die zweite Halle war die richtige. Sie war von hohen Zäunen und, für den Fachmann erkennbar, allerlei elektronischem Schnickschnack umgeben. Auch trug sie keine knalligen Werbeaufschriften, am kasernenähnlichen Eingangstor befand sich lediglich eine dezente Tafel, die man leicht übersehen konnte. Darauf stand: Arilson Primatenstation .
Herr Hillen, der Chef der Tierpfleger, war eine joviale Kugelgestalt, die in dem gequetschten, kehligen Tonfall des eingeborenen Kölners redete. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund hatte es den Rheinländer ins Münsterland verschlagen, doch er schien darüber nicht unglücklich zu sein.
»Ohne Kavallerie kamen wir uns in unserem Fort richtig hilflos vor«, strahlte er uns an. »Gott sei Dank haben die Indianer nicht angegriffen. Kommen Sie, ich zeige Ihnen die Affen.«
Die Halle bestand aus fünf Käfigräumen, in denen jeweils rund zwanzig Affen untergebracht waren, einem langen Flur, mehreren Lagerräumen sowie einem kleinen Verwaltungstrakt, in dem sich auch der Aufenthaltsraum und die Teeküche der Tierpfleger befanden.
Hillen öffnete die Tür zum Affenraum A. Drinnen herrschten mindestens fünfundzwanzig Grad und Ruhe. Eine mickrige Funzel sorgte für Dämmerlicht. Es stank intensiv nach Kot und Dschungel.
»Die haben ihr Abendessen schon verputzt«, sagte Hillen mit gedämpfter Stimme. »Normalerweise ist jetzt Nachtruhe angesagt.«
Einige Affen lagen unbeteiligt in ihren Käfigen, andere kamen zum Gitter gehüpft und beobachteten uns aufmerksam. Kleine Gestalten mit dichtem weißen Pelz und greisenhaften, haarlosen Gesichtern, in denen schwarze Augen glühten.
»Das sind Kapuzineraffen«, erzählte der Tierpfleger. »Genauer gesagt: Weißschulter-Kapuziner, weil sie an Kopf, Brust und Schultern weiß behaart sind. Kapuziner
Weitere Kostenlose Bücher