Das Schiff im Baum: Ein Sommerabenteuer (German Edition)
jünger, Polly!«
»Jetzt tu mal nicht so, als wärst du ein Tattergreis!«
»Ich will aber meine Ruhe!«
»Du wirst sie gar nicht sehen. Sie werden den ganzen Tag draußen spielen!«
»Und alles kaputt machen! Durch die Beete trampeln, den Hund quälen, die Katze ärgern, die Hühner scheuchen! Denk an meine Worte, Polly!«
»Papperlapapp! Das sind nette Kinder und ein bisschen Leben im Haus kann nicht schaden. Es ist ja nicht für immer! Und jetzt reiß dich mal zusammen, Fiete Feddersen, und mach nicht so ein Gesicht!«
Tante Polly hielt ihm den Holzlöffel hin.
»Probier mal!«
Onkel Fiete leckte die Marmelade vom Löffel.
»Und sie werden uns die Ohren vom Kopf fressen.«
Aber das sagte er so leise, dass Tante Polly es nicht hören konnte.
»Warst du schon mit dem Hund draußen?«
Onkel Fiete schüttelte den Kopf.
»Dann aber mal los!«, sagte Tante Polly. »Das Tier braucht Bewegung!«
Onkel Fiete nahm die Kappe vom Haken und verließ wortlos die Küche.
Draußen flirrte das Sonnenlicht durch die Blätter des mächtigen Walnussbaums, der wie ein Wächter vor dem kleinen reetgedeckten Haus stand. Die Schwalben übten den Sturzflug und ihr lautes Srii-Srii schrillte übers Dach. Onkel Fiete schlurfte langsam den gepflasterten Vorgartenweg entlang bis zur Buchenhecke, wo eine kleine weiße Pforte das Grundstück von der Welt trennte. Dort lag ein uralter zottiger weißer Hund im Schatten eines Fliederbusches und döste.
»Komm, Freitag«, sagte Onkel Fiete. »Die Frau will, dass wir unsere Runde machen!«
Der Hund wedelte matt mit der Schwanzspitze, dann riss er das Maul auf und gähnte lang und ausgiebig.
»Nun komm schon, Freitag! Sie beobachtet uns! Das gibt nur Ärger, wenn du liegen bleibst!«
Die Pforte quietschte leise, als Onkel Fiete sie öffnete. Der Hund stand unwillig auf , er reckte und streckte sich und schlich dann mit gesenkter Rute hinter Onkel Fiete her.
Die schmale Straße von Betenbüttel nach Großwedau war mit Apfelbäumen gesäumt.
Sie führte schnurgerade durch Mais- und Haferfelder, die mit hohen Wallhecken voneinander getrennt wurden. Die Apfelbäume wuchsen alle schief in eine Richtung und es sah aus, als würden sie sich ins Maisfeld ducken.
Onkel Fiete kannte jeden Baum. Als er die Bäume gesetzt hatte, hatte er die Stämmchen einzeln angepflockt, aber der Wind, der Wind hatte damals so stark geblasen, dass die Bäume sich trotzdem geneigt hatten und schief gewachsen waren, egal wie oft Fiete Feddersen die Sisalseile nachgezogen hatte.
»Gib endlich auf, Fiete! Gegen unseren Wind kommst du doch nicht an!«, hatte Tante Polly gesagt.
»Und außerdem kann man so die Äpfel viel besser ernten! Oder willst du noch mit neunzig auf die Leiter?«
»Hör mal, Freitag, wo die Frau recht hat, hat sie recht!«, murmelte Onkel Fiete. »Aber dass die Kinder kommen, das ist falsch! Das schwör ich dir, dann ist es vorbei mit unserer Ruhe, Freitag! Und auf große Fahrt gehen wir dann auch nicht mehr. Kinder kann man nämlich nicht alleine lassen! Kinder haben nur Flausen im Kopf! Denk an meine Worte, Freitag! Die Frau weiß doch nicht, auf was sie sich da einlässt! Das ist doch wieder typisch! Sie überschätzt sich, wo sie kann! Und man sagt ihr noch, lass das, Polly, das geht nicht mehr in unserem Alter, aber nein, sie setzt ihren Kopf durch. Das war doch schon immer so, Freitag, das war doch schon immer so!«
Das Buswartehäuschen war nicht ganz so schief wie die Apfelbäume. Es war aus alten Brettern zusammengenagelt und innen gab es eine Sitzbank. Das gelbe Halteschild mit dem grünen Rand leuchtete in der Sonne.
»So, Freitag!«, sagte Onkel Fiete. »Hier ist es schattig. Und wenn dann der Bus kommt, gehen wir auf große Fahrt. Du und ich. Wie früher! Über die Weltmeere, Freitag. Du bist ja der beste Schiffshund der Welt! Da wird sie Augen machen, die Frau! Und kann sehen, wie sie mit den Kindern klarkommt. Wir sind dann mal weg, Freitag!«
Der Hund, der Freitag hieß, hechelte und rollte sich unter der Bank im Wartehäuschen zusammen. Onkel Fiete setzte sich ächzend auf die Bank, schloss die Augen und fing an zu warten …
DRITTES KAPITEL,
in dem wir nach einer langen Reise
das Schlimmste befürchten müssen
Mama hatte das Auto geliehen. Es war rot und roch ganz neu und die Stereoanlage war richtig laut.
Wir saßen hinten. Zwischen uns stand der Korb mit den Butterbroten und den Wasserflaschen und den Keksen. Als Mama ihn gepackt hatte, hatte
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