Das Schiff im Baum: Ein Sommerabenteuer (German Edition)
aye, Sir!«, sagten wir.
»Die Pequod sank innerhalb von Sekunden und alle Männer schrien um ihr Leben, als sie vom Strudel mitgerissen wurden. Ich hatte am Bug gestanden, als das Wasser einschoss. Das war jetzt der höchste Punkt des Schiffs und ich wusste genau, ich durfte nicht zögern, ich musste mich abstoßen und springen, so schnell und so weit ich konnte. Unter mir brodelte das Wasser. Ich sprang.
Als ich wieder auftauchte, war von der Pequod nichts mehr zu sehen. Die See war ruhig wie ein Spiegel. Das war’s also, Fiete Feddersen, dachte ich, jetzt kannst du dein letztes Gebet sprechen, bevor die Haie dich holen.
Da spürte ich dicht neben mir plötzlich eine Bewegung im Wasser. Und dann schoss etwas Großes an die Wasseroberfläche wie ein Korken aus einer Sektflasche. Ich traute meinen Augen nicht.
Es war der Sarg.
Queequegs Todesboot schwamm auf der spiegelglatten See. Mit zwei, drei Schwimmzügen hatte ich es erreicht. Ich klammerte mich an den Sarg und zog mich hoch. Es gelang mir, den Deckel zu öffnen und tatsächlich, es war alles noch da. Das Paddel, die Wasserflasche, der Schiffszwieback, das Segeltuch, auf das Queequeg seinen Kopf gebettet hatte. Auch die Harpunenspitze und das Säckchen mit Erde lagen im Boot. Und da begriff ich, ich war gerettet. Es war, als hätte Queequeg alles im Voraus geplant, als hätte er gewusst, was für ein Unheil auf uns zukommen würde. Und jetzt, vom tiefen Meeresgrund aus, hatte er mir, seinem Blutsbruder, als letzten Gruß ein Rettungsboot geschickt.
Nach vierzehn Tagen endlich erreichte ich das Land und Jahre später fand ich diesen Ort, der Betenbüttel heißt, und Tante Polly gleich dazu.
Ich habe ihr versprochen, nie mehr zur See zu fahren. Und was man dieser Frau verspricht, das muss man halten. Egal, das ist ja alles lange her. Dazwischen liegt ein ganzes Menschenleben. Und trotzdem, wenn ich die Augen schließe, kann ich die Stimme Queequegs deutlich hören. Dann redet er mit mir wie damals auf der Pequod und sagt:
›Merk dir eins, Fiete Feddersen: Man muss nicht sterben, wenn man entschlossen ist, am Leben zu bleiben. Nur ein Wal, ein Sturm oder sonst eine sinnlose Gewalt kann uns vernichten!‹«
ENDE
P.S.:
Es gab dort nichts … und Ole und ich wussten sofort, das würde der langweiligste Sommer unseres Lebens werden.
Dass es ganz anders kam, das konnten wir nicht ahnen. Vielleicht hat Mama es gewusst, denn als sie uns nach Hause holen wollte, da wollten wir nicht mit und sie war nicht mal überrascht.
Erst als Onkel Fiete uns was ins Ohr geflüstert hat, sind wir in das rote Auto eingestiegen.
Und dann ging alles ganz schnell. Mama fuhr los. Wir knieten auf der Rückbank und starrten durch die Heckscheibe.
Das Letzte, was wir von Betenbüttel sahen, waren Onkel Fiete und Tante Polly, die winkend an der Gartenpforte standen, Hand in Hand, und immer kleiner wurden, bis sie nur noch zwei schwarze Punkte waren auf der schnurgeraden Apfelbaumchaussee.
P.P.S.:
Was Onkel Fiete geflüstert hat?
»Und wenn ihr wissen wollt, warum der Hund Freitag heißt, dann müsst ihr wiederkommen!«, hat er geflüstert. »Aber beeilt euch!«
Die Autorin
Jutta Richter, geboren 1955, lebt auf Schloss Westerwinkel im Münsterland. Für ihre Bücher erhielt sie zahlreiche Preise, darunter 2001 den Deutschen Jugendliteraturpreis für »Der Tag, als ich lernte, die Spinnen zu zähmen« (2000) und 2005 den Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis für »Hechtsommer« (2004). Bei Hanser erschienen u.a. »Hexenwald und Zaubersocken« (2010), das Weihnachtsbilderbuch »Als ich Maria war«(2010) und zuletzt »Ich bin hier bloß der Hund« (2011) .
»Das Schiff im Baum« ist auch als Hörbuch bei Igel-Records erschienen.
Weitere Kostenlose Bücher