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Das Schiff im Baum: Ein Sommerabenteuer (German Edition)

Das Schiff im Baum: Ein Sommerabenteuer (German Edition)

Titel: Das Schiff im Baum: Ein Sommerabenteuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Richter
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kräh mir Long  John Silver nicht kaputt!«
    »Long  John Silver?«
    Onkel Fiete nickte Richtung Hahn.
    »Er heißt Long  John Silver!«, sagte er und dann schlurfte er langsam zur Hintertür.
    Ole und ich setzten uns auf den Hackklotz, der neben dem Schuppen stand.
    »Der hat an der Bushaltestelle gesessen!«, flüsterte Ole.
    Ich nickte.
    »Und er hätte ruhig freundlicher sein können, oder?«
    »Aber Kannentreter ist gut«, grinste ich. »Kannentreter passt zu dir!«
    Ole boxte mich in die Rippen. Ich sprang auf.
    Wir wollten uns gerade aufeinanderstürzen, als Mama rief.
    »Ole, Katharina! Ich muss los!«
    Wir rannten, so schnell wir konnten. Mama stand schon am Auto. Ole klammerte sich an ihr fest.
    »Du kannst uns doch nicht einfach hierlassen, Mama!«, rief er.
    »Aber, Ole, es ist doch nicht für lange! Es wird euch gefallen!«
    »Nie im Leben!«, schluchzte Ole.
    »Nun mach es mir doch nicht so schwer!«, sagte Mama. »Wir können ja telefonieren! Das schafft ihr schon!«
    Ich sah, dass sie Tränen in den Augen hatte.
    »Klar, Mama«, sagte ich schnell. »Wir schaffen das schon! Ist ja gar nicht so schlecht hier!«
    Und dann ging alles ganz schnell.
    Mama fuhr los.
    Das Letzte, was wir von ihr sahen, war der winkende Arm, den sie aus dem offenen Fenster hielt und der immer kleiner wurde, und dann war das rote Auto nur noch ein Punkt auf der schnurgeraden Apfelbaumchaussee.

 
    SECHSTES KAPITEL,
     
    in dem Onkel Fiete sich
    nicht erinnern kann
     
    Onkel Fiete schlurfte zum Ohrensessel, der in der Küche am Fenster stand. Er setzte sich, zog sein Taschentuch aus der Hosentasche und wischte den Schweiß von der Stirn.
    Der Hund, der Freitag hieß, legte die Schnauze auf sein Knie. Onkel Fiete tätschelte seinen Kopf.
    »Was hab ich gesagt, Freitag, nichts als Unruhe bringen diese Kinder ins Haus. Schau dir den Jungen an! Steht am Straßenrand und heult wie eine Seemannsbraut! Ich hab’s ja gewusst, das ist alles, was er kann, Beulen in die Gießkanne treten und heulen. Und wenn die mir Long John Silver kaputt krähen, dann werden die uns kennenlernen! Dann fliegen die hier raus, Freitag, achtkantig! Wir lassen uns nichts gefallen!«
    »Was brummelst du in deinen Bart, Fiete Feddersen?«, fragte Tante Polly.
    Sie räumte den Kaffeetisch ab und hatte den Kessel für das Spülwasser aufgesetzt. »Hier fliegt niemand raus! Niemand, hast du verstanden?«
    Sie stellte ihm ein großes Glas Wasser hin.
    »Da, trink! Das ist wichtig!«
    Onkel Fiete machte die Augen zu.
    »Du könntest doch mit den Kindern Dame spielen oder Mühle. Das hast du früher mit Paulinchen auch immer gespielt, weißt du noch? Du hast sogar Brummknöpfe gemacht, wenn sie Heimweh hatte, und deinen Daumen hast du so lange springen lassen, bis das Kind lachen musste. Du konntest immer gut mit Kindern, Fiete Feddersen!«
    Onkel Fiete tat, als ob er schlafen würde.
    Er war sich nicht sicher, ob das stimmte, was die Frau erzählte. Er jedenfalls konnte sich nicht daran erinnern, mit einem Kind Mühle gespielt zu haben. Aber das hatte nichts zu bedeuten, denn es gab vieles, an was er sich nicht erinnern konnte. Es gab Tage, an denen ihm die einfachsten Wörter nicht mehr einfielen. Er wusste an solchen Tagen genau, dass er an etwas denken wollte, aber er wusste nicht, an was und warum und wie es zusammenhing mit ihm und der Welt und Betenbüttel.
    »Du musst mehr trinken, Fiete Feddersen!«, schimpfte die Frau, wenn sie das merkte. »Du hast wieder den ganzen Tag kein Wort gesprochen! Hat sich schon mal einer totgeschwiegen!« Dann schob sie ihm diese großen Gläser mit Wasser hin.
    »Da haben die Fische reingepinkelt, Fiete«, flüsterte Queequeg. »Das trinkt kein anständiger Seemann.«
    »Und eine Buddel mit Rum!«, antwortete Onkel Fiete. »Prost, Queequeg!«
    An Queequeg konnte sich Onkel Fiete erinnern, egal was kam.
    Queequeg, der Harpunier, der mutigste Seemann in Kapitän Ahabs Mannschaft. Queequeg, der Blutsbruder.
    Queequeg war immer da.
    Er war von Kopf bis Fuß tätowiert, ein lebendes Kunstwerk, ein wandelnder Bilderbogen. In jedem Hafen, in den sie eingelaufen waren, war Queequeg zuerst zum Nadelstecher gerannt. Auf seinen Armen wohnten grüne Drachen, die ihre Flügel ausbreiteten und Feuer spien, wenn er die Harpune spannte. Auf seiner Schulter saß ein roter Löwe, der den Rachen aufriss, wenn er den Kopf drehte.
    »Wenn du den Wal nicht triffst«, hatte Kapitän Ahab geflüstert, »wenn du den Wal nicht triffst, werde

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