Das Schlangenschwert
Himmel. Über der Kuppel tobte ein Sturm. Die Sonne war klein und dunkelrot, weil sie vom wirbelnden Sand verdeckt wurde. Die Außenbewohner hatten es jetzt sehr schwer. Bei ihnen herrscht eine erhöhte Radioaktivität, der feine Sandstaub kriecht in jede Ritze.
»Tiki-Tiki!«
Ich drehte mich um, obwohl ich genau wusste, wer das war. Nur Dajka nennt mich Tiki-Tiki. Seit der ersten Klasse. Zuerst wollte sie mich damit ärgern, mittlerweile aber nicht mehr. Das glaubte ich jedenfalls.
»Wohin schaust du?«
»Zum Raumschiff«, schwindelte ich. Es war wirklich ein Raumschiff am Himmel. Sicher ein Erztransporter vom Hafen 2. Es kämpfte sich mit Hilfe seiner Plasmatriebwerke durch den Sturm und zog eine orange Schleife aus Protuberanzen hinter sich her. Nichts Atemberaubendes. Der Sturm an sich war entschieden interessanter.
»Ein schönes Raumschiff!«, rief Dajka. »Ich wäre gern Pilot.«
Sie streckte sich neben mir aus, sodass ich zur Seite rücken musste. Sie trug einen neuen Badeanzug, ganz wie eine Erwachsene. O lala!
»Hm«, sagte ich, »du würdest zu einem Eiszapfen gefrieren!«
Dajka schwieg einige Zeit und erwiderte: »Na und? Du wirst auch kein Pilot.«
»Wenn ich es will, werde ich es«, antwortete ich. Dajka störte mich. Sie war mir zu aufdringlich und konnte einfach nicht verstehen, dass ich allein sein wollte. Ganz allein.
»Weißt du denn nicht, wie viel eine Pilotenausbildung kostet?«
»Viel.«
»So viel wirst du niemals verdienen!«
»Wenn ich Glück habe, verdiene ich genug.« Ich hielt es nicht mehr aus. »Aber du kannst garantiert kein Pilot werden! Du hast kein Y-Chromosom! Dich kann man im Weltraum nur als Gepäck befördern. Tiefgekühlt, mit Eiszapfen an den Wimpern.«
Dajka sprang auf und ging schweigend weg. Das war gemein von mir. Sie begeisterte sich mehr als mancher Junge für den Kosmos. Aber sie hat nun einmal kein Y-Chromosom. Und das bedeutet, dass sie stirbt, wenn sich das Raumschiff im Zeitsprung befindet. Natürlich nur dann, wenn sie nicht in Anabiose liegt. Eben mit Eiszapfen an den Wimpern...
»Dajka!«, rief ich und stützte mich auf die Ellenbogen, »Dajka!«
Aber sie ging weiter, ohne sich umzusehen.
Also räkelte ich mich wieder auf der Steinplatte und folgte mit dem Blick der Flugbahn des Raumschiffs. Der Zeitkanal, den die Raumschiffe für den Flug zwischen den Sternen benutzen, verläuft ganz in unserer Nähe. In einer Stunde würde das Raumschiff in ihn eintauchen und das Erz auf einen Industrieplaneten transportieren. Und danach vielleicht in andere interessante Welten. Natürlich würde ich nie genug Geld verdienen, um mir eine Pilotenausbildung leisten zu können.
Wenn ich überhaupt jemals in den Kosmos fliegen könnte, dann sowieso nur als Bestandteil eines Computers. Als »Gehirn in der Flasche«, wie das landläufig genannt wird.
Aber es ist immerhin eine Art Fliegen. Manchmal verdient man dadurch so viel, dass man ein richtiger Pilot werden kann. Ich drehte mich um und warf ein Steinchen an Glebs Schulter. Gleb sonnte sich nicht weit von mir. Er war es eigentlich, der mich an den Fluss gelockt hatte, denn er hält einzig die Herbstbräune für gesund und echt. Gleb hob den Kopf vom Handtuch und schaute mich fragend an. Entweder hatte er mein Gespräch mit Dajka nicht gehört oder ihm keine Beachtung geschenkt.
Also erklärte ich ihm, was ich vorhatte.
Gleb meinte, ich sei ein Idiot. Der Anschluss eines menschlichen Gehirns an einen Computer als »Modul« würde nämlich Neuronen verbrennen, den freien Willen unterdrücken und einen verdummen. Da sei es schon einfacher, ins »Haus des Abschieds« zu gehen, davon habe wenigstens der Staat noch einen Nutzen...
In diesem Moment erinnerte er sich an meine Eltern und hielt inne. Ich nahm es ihm nicht übel. Erwiderte lediglich, dass viele berühmte Piloten damit angefangen hätten, als Module in Raumschiffen zu arbeiten. Man muss rechtzeitig kündigen, das ist wichtig. Und wenn man es überhaupt riskieren will, dann genau in unserem Alter, solange das Gehirn noch formbar ist und sich entwickelt. Dann kann es alles kompensieren.
Gleb wiederholte, dass ich ein Idiot sei, und räkelte sich unter der trüben orangefarbenen Sonne. Ich sagte auch nichts mehr, legte mich wieder hin und schaute in den Himmel. Er ist bei uns sogar bei schönem Wetter orange. Auf der Erde und dem Avalon ist er blau. Er kann auch grün, dunkelblau oder gelb aussehen. Die Wolken müssen nicht aus Sand sein, es gibt welche
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