DAS SCHLOSS
Kälte. Er sah auf die Uhr. Eine verdamm t e Stunde hatte ihn der Wechsel des Vorderreifens gekostet. Eine Stunde, während der die Suche nach dem geheimnisvollen Leichenwagen, die Suche nach Sandy, ins Stocken geraten war. Ihm wurde übel, als er an ihren vollkommen überflüssigen Streit dachte, der sie überhaupt erst in diese Situation gebracht hatte.
Hier irgendwo musste es gewesen sein. An diesem Abschnitt der Landstraße hatte er den Leichenwagen entdeckt und diesen Typen, Kid, mit zu der Autowerkstatt genommen. Und offenbar hatte ihn sein erstes Gefühl nicht getäuscht. Irgendetwas hatte mit diesem Kerl nicht gestimmt. Und so wie es aussah, wusste er nun auch, was es gewesen war. Offenbar hatte er ganz genau gewusst, wo sich Sandy befand. Entweder, er hatte sie irgendwo abgesetzt, wobei Ronnie befürchtete, dass hier ehe r der Wunsch Vater des Gedanken war, oder er hatte sie selbst irgendwo versteckt.
Zum Beispiel in eben jenem Leichenwagen.
Und hatte Ronnie nicht den Eindruck gehabt, Kid habe sich vor ihrer Abfahrt mit jemandem im Auto unterhalten?
Konnte das womöglich Sandy gewesen sein?
Aber warum sollte sie das tun? Warum sollte sie sich weigern, ihm gegenüberzutreten?
Nein, das konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen. Es konnte nur eine einzige Erklärung geben.
Kid war mit Sandy in dieser Disco ins Gespräch gekommen, hatte sie irgendwie davon überzeugt, mit ihm in seinem Wagen wegzufahren und hatte es irgendwie geschafft, sie zu überwältigen und in diesem Auto zu verstecken.
Himmel, gab es ein besseres Versteck um jemanden wegzuschaffen, als einen Leichenwagen?
Scheiße! Scheiße! Scheiße!
Ronnie schlug wütend auf das Lenkrad.
Ihm kam der Gedanke, die Polizei zu informieren. Aber vermutlich würde sie sowieso nichts unternehmen, da Sandy bei weitem keine vierundzwanzig Stunden vermisst wurde. Sofern man im behördlichen Sinn überhaupt von vermisst sprechen konnte. Nein, er würde die Sache zunächst selbst in die Hand nehmen müssen.
Sein Blick streifte ein am Straßenrand aufgestelltes Kreuz. Es war nicht das Kreuz an sich, das seine Aufmerksamkeit schon beim ersten Mal erregt hatte, als er daran vorbeigefahren war. Stumme Zeugen dieser Art gab es hier in der Gegend zuhauf. Es waren die frischen Blumen. Ein wahres Blumenmeer ergoss sich rund um das Holzkreuz, dass noch keinerlei Anzeichen von Verwitterung aufwies. Es konnte noch nicht lange hier stehen. Gänsehaut breitete sich auf seinen Armen aus, als er den eingravierten Namen las:
Sandra.
Und etwa fünfhundert Meter hinter eben diesem Holzkreuz war er auf den liegengebliebenen Leichenwagen gestoßen. Ronnie drosselte das Tempo und stellte den Opel schließlich am Straßenrand ab. Erwartungsgemäß war der Leichenwagen inzwischen verschwunden. In der Hoffnung, vielleicht eine Spur oder irgendeinen Hinweis auf seinen Verbleib zu entdecken, stieg er aus.
Die Sonne war inzwischen vollständig untergegangen und ein kreisrunder Mond stand am schwarzblauen Himmel. Ronnie bildete sich ein, das Rauschen des Meeres zu hören, war sich aber nicht sicher, ob es sich nicht doch um das Geräusch des Windes handelte der durch die angrenzenden Wälder wehte. Er folgte einige Meter dem schmalen Grasstreifen zwischen der auf dem Asphalt aufgemalten Seitenlinie und dem angrenzenden Straßengraben, dessen Anblick ihn unweigerlich an eine Kreuzung aus Sumpflandschaft und Mülldeponie denken ließ.
Plastiktüten, Tetra-Packs, Papiertüten und Becher einer amerikanischen Fastfood-Kette, Zigarettenschachteln. Bedeutungsloser Müll. Aber zwei Dinge erregten Ronnies Aufsehen und er kletterte vorsichtig den rutschigen Grashang in den Graben hinunter, um sie näher in Augenschein zu nehmen.
Ein Fahrrad mit Anhänger.
Es war zwar nicht neu, aber ohne jeden Zweifel fahrtauglich. Er wunderte sich, wer ein solches Gespann achtlos in einem Straßengraben entsorgte. Aber er sah noch etwas anderes:
Einen Autoreifen. Genauer gesagt, ein vollständiges Rad, bestehend aus der dazugehörigen Felge und den Überresten eines geplatzten Reifens.
Ohne jeden Zweifel hatte er also die richtige Stelle gefunden. Hier hatte der defekte Leichenwagen gestanden. Und wie Ronnie es schon befürchtet hatte, war dieser nun verschwunden.
Er war zu spät gekommen.
KAPITEL 19
Adam hörte Geräusche. Irgendjemand trieb sich hier herum und er wollte unbedingt herausfinden, um wen es sich dabei handelte.
Er trat aus dem Schutz der dichten
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