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Das Schloß der blauen Vögel

Das Schloß der blauen Vögel

Titel: Das Schloß der blauen Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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des abfahrenden Krankenwagens von der Straße ins Zimmer drangen.
    »Er kommt zunächst in die Landesklinik.« Dorian sah dem Wagen nach. Man hörte Stimmen. Dr. Keller und Angela riefen ihm etwas zu. Dorian reagierte nicht darauf.
    »Und dann?«
    »Ich werde versuchen, ihn nach Hohenschwandt zu holen …«
    »Zu Ihnen?« Luise wandte den Kopf zu Dorian. »Warum?«
    Dorian stieß sich vom Fenster ab und nahm seine Tasche vom Stuhl. »Ich werde ihn noch einmal operieren«, sagte er laut. »Verdammt, ich gebe den Kampf nicht auf. So nicht! Ich will und muß wieder einen Menschen aus ihm machen!«

14
    Der Herr, der Ilse Trapps im Café angesprochen hatte, war ein feiner Mensch mit guten Manieren und einer offensichtlich dicken Brieftasche. Er sprach von seinen Reisen nach Südamerika und Freunden in Rio de Janeiro, von Kaffeeplantagen, an denen er beteiligt war, und von Häusern in der neuen Stadt Brasilia, die ihm gehörten.
    Ilse Trapps glaubte ihm nur die Hälfte. Aber was tat es? Er war ein großer, dunkelhaariger, schöner Mann mit Manieren, ein Typ, wie ihn Ilse Trapps immer in den Illustrierten bewundert hatte, um dann Vergleiche mit ihrem seligen Egon anzustellen, der alles andere war als ein Frauenheld. Ein Mann, der das Herz einer Frau im Sturm erobert und nicht erst lange fragt, ob gerade diese Festung auf ihn gewartet hat. Ein Mann mit gepflegten Händen, dunkel blitzenden Augen, einem Maßanzug und den Manieren eines Grafen … Ilse Trapps schwamm auf einer romantischen Welle und begann, selbst Gerd Sassner zu vergessen.
    Im Café war er noch zurückhaltend. Er kam an Ilses Tisch, verbeugte sich und fragte höflich, ob er die Zeitung haben dürfe, die neben Ilse auf dem leeren Stuhl lag.
    »Natürlich«, hatte Ilse keck geantwortet. »Ich lese sie nicht. Aber wie gut, daß eine Zeitung gerade auf dem Stuhl liegt …«
    Sie verstanden sich vom ersten Blick an. Sie tranken noch ein Kännchen Kaffee und verabredeten sich für den Abend.
    »Sie kennen Hamburg nicht?« fragte der schöne Mann, der sich als Wilhelm v. Fahrer vorstellte. »Gnädigste, das ist eine unverzeihliche Bildungslücke! St. Pauli bei Nacht, der Hafen, die Docks, die Landungsbrücken, die Reeperbahn, Große Freiheit … und dann die Romantik der Binnenalster. Ich könnte stundenlang dort stehen, in der Nacht, wenn die Lichter Hamburgs sich in dem stillen Wasser spiegeln. Das ist der Zauber einer Weltstadt! Wenn ich da an Bombay denke … Voriges Jahr, bei einer Tempelfahrt durch Indien …«
    Am Abend trafen sie sich an den Landungsbrücken, am Eingang des Elbtunnels. Wilhelm v. Fahrer hatte eine Orchidee mitgebracht. Er nestelte sie in Ilses Haar und küßte sie dann, fast zaghaft, auf die Stirn.
    »Sie sind eine der schönsten Frauen, die ich kenne«, sagte er dabei. »Und ich habe in der Welt viele schöne Frauen gesehen …«
    Für Ilse Trapps begann ein Abend, wie sie ihn vorher nur im Kino gesehen hatte. Eine weiße Orchidee im Haar, einen Mann neben sich, der wie ein Filmstar aussah, der sieben Sprachen sprach, wie er betonte, und mit einem Kanu über die wildesten Flüsse des südamerikanischen Urwalds gefahren war, das war ein Erlebnis wie ein wahrgewordener phantastischer Traum.
    Wilhelm v. Fahrer aß mit Ilse Trapps in einem Luxusrestaurant zu Abend und begann sich vorsichtig an sie heranzutasten. Er tat es geschickt, fast zu gekonnt.
    »Sie sind keine Norddeutsche?« fragte er, obwohl jeder den schwäbischen Klang in Ilses Stimme hörte.
    »Nein. Ich komme aus der Gegend von Freiburg.«
    »Der herrliche Breisgau!« Wilhelm v. Fahrer hob sein Weinglas. »Auf den badischen Wein! Ich liebe ihn! Und nun sitzt ein badisches Mädel vor mir!« Er trank ex und goß wieder nach. »Sie sind zu Besuch in Hamburg?«
    »Nein, ich studiere …« Ilse Trapps fiel nichts Besseres ein. Studentin, das ist immer gut, dachte sie. Das hat Niveau.
    »Medizin?« fragte Wilhelm v. Fahrer mit sonorer Stimme.
    »Nein, Kunst.«
    »Schade.« Er legte beide Hände aufs Herz. »Ich hätte das angehende Fräulein Doktor sonst gebeten, mich zu untersuchen. Hier drinnen, genau hier, da bubbert und hämmert es. Was kann das wohl sein?«
    »Ein Promille … soviel haben Sie bestimmt schon!« Ilse Trapps lachte laut. Etwas zu laut für eine Studentin. Sie lachte überhaupt noch viel an diesem Abend … auf der Reeperbahn beim Damenringkampf im Schlamm … in der Großen Freiheit beim gespielten Vergewaltigungsakt zwischen einem Neger und einer weißen Tänzerin.

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