Ich weiß, ich war's (German Edition)
Vorwort
von Aino Laberenz
Dieses Vorwort zu schreiben, fällt mir schwer. Weil es mein erstes Vorwort ist. Weil ich vermeiden will, dass es wie ein Nachruf klingt. Es ist nicht einfach für mich, im Angesicht von Christophs Tod über dieses Buch und seine Entstehung zu schreiben. Aber es ist mir ein Anliegen, an dieser Stelle hervorzuheben, warum Christoph ein Buch mit Erinnerungen und Erwartungen an das eigene Leben so wichtig war – und warum es mir wichtig ist, dieses Buch nun zu veröffentlichen, auch wenn Christoph seine Arbeit daran nicht mehr beenden konnte.
Einige Monate nachdem das Krebstagebuch »So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein« erschienen war, hatte Christoph von Neuem begonnen, seine Gedanken, Erinnerungen und Erlebnisse auf Tonband festzuhalten. Damit verbunden war sein Wunsch nach einem Buch, das sich auf sein Leben richtet. Das sich auch an sein Leben richtet, wie es gewesen ist, wie er gewesen ist. Christophs Absicht war es nicht, Resümee zu ziehen oder schleichend Abschied zu nehmen. Er wollte sich ins Leben zurückkatapultieren, sich erinnern, um zu vergessen – und um wieder anzufangen. Es sollte keine Fortsetzung des Tagebuchs oder etwas so Bleischweres wie Memoiren sein. Keine Autobiografie. Keine Aneinanderreihung von Anekdoten.
Christoph wollte einen Band der vorletzten Worte, der unvollendeten Gedanken. Weder wollte er sich erklären noch wollte er sich selbst Kapitel für Kapitel abhandeln. Beim Lesen sollte Raum bleiben. Christoph hatte bewusst kein Werkbuch im Sinn. Manche Projekte bleiben Randnotizen oder sogar unerwähnt. Vieles erfährt nicht den Platz, der ihm in einer »Gesamtschau« zustünde. Er wollte keine Chronologie, die suggeriert, alles baue auf allem auf und lasse sich anhand eines roten Fadens von A bis Z verknüpfen, begründen oder sogar rechtfertigen. Ich glaube, dass Christoph Leben und Arbeit nie so gesehen hat. Er empfand die Lücke als großes Glück, den Zeitsprung, die Irritation, die Überforderung – und die Notwendigkeit der Wandlung.
»Ich weiß, ich war’s« ist auf Christophs eigene Art ausufernd – und bescheiden. Er blickt zurück, mit gerade mal 49 Jahren und während er noch verdammt viel vorhat. Er verknüpft die kleinen Fragen der eigenen Biografie mit den absoluten Fragen, wie er es vielfach in seiner Arbeit getan hat. Seine Neugierde, sein Eifer, Dinge zu erforschen, und seinen Freiheitsdrang konnte die Krankheit ihm nicht nehmen. Sosehr er den Tod zuletzt kommen sah, so überzeugt war er vom Leben. Für diese Haltung steht das Buch. Es ist kein Mausoleum. Es ist ein Lebenszeichen.
Es ist fragmentarisch in seiner Zusammenstellung und basiert auf Texten, die er 2009 und 2010 aufgenommen, geschrieben, gesammelt und für diese Veröffentlichung vorgesehen hatte. Ihr Gerüst bilden die Leseabende, die er im Herbst 2009 aus Anlass des Krebstagebuchs veranstaltete. Diese Abende waren keine Lesungen im eigentlichen Sinn. Statt vorzulesen erzählte Christoph von sich und seinen Arbeiten und entwarf dabei über Umwege und Abkürzungen ein Panoptikum seines Lebens.
Er erzählte von Kindheit und Kinomanie, von Kunst in Berlin und Containern in Wien, schlug Bögen vom Wohnzimmer seiner Eltern zum Bayreuther Festspielhaus, von der Faszination für Kameratechnik zur Vorliebe für die Drehbühne, von ersten Filmversuchen in Oberhausen zum Operndorf in Burkina Faso – ein unerschöpfliches Geflecht aus Lebenslinien und Querverstrebungen, Zufällen und logischen Konsequenzen, Pragmatismus und Obsession. Er dachte vor Publikum über sich nach. Er konnte mit dem Publikum über sich lachen. Er stellte Fragen und stellte sich infrage, berichtete von Menschen und Momentaufnahmen, ohne Anspruch auf Vollzähligkeit und in sich doch geschlossen. Am Ende jedes Abends war klar, dass er genau da war, wo er hingehörte, dass er um sich wusste. Er hatte das Bedürfnis, sein Leben und seine Kunst zu erden, damit sie einen Boden hatten. Eine Startrampe, von der aus er immer wieder loslegen, auch abheben konnte.
Diese Abende ließ er mitschneiden und verschriftlichen, um sie anschließend für das Buch zu bearbeiten. Zu dieser Bearbeitung ist es leider nicht mehr gekommen. Sicherlich wäre »Ich weiß, ich war’s« durch Christophs Eingriffe und zusätzliche Kommentare ein anderes Buch geworden.
Die Absichten, die Christoph mit diesem Buch verband, habe ich versucht, sehr ernst zu nehmen. Es ging dabei nicht um meine Sicht, die manchmal vielleicht
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