Das Schloß
persönlich sich um Sie zu kümmern beabsichtigt für den Fall, daß Sie in herrschaftliche Dienste aufgenommen werden.«
»Sie deuten, Herr Vorsteher«, sagte K., »den Brief so gut, daß schließlich nichts anderes übrigbleibt als die Unterschrift auf einem leeren Blatt Papier. Merken Sie nicht, wie Sie damit Klamms Namen, den Sie zu achten vorgeben, herabwürdigen.«
»Das ist ein Mißverständnis«, sagte der Vorsteher, »ich verkenne die Bedeutung des Briefes nicht, ich setze ihn durch meine Auslegung nicht herab, im Gegenteil. Ein Privatbrief Klamms hat natürlich viel mehr Bedeutung als eine amtliche Zuschrift, nur gerade die Bedeutung die Sie ihm beilegen hat er nicht.«
»Kennen Sie Schwarzer?« fragte K.
»Nein«, sagte der Vorsteher, »Du vielleicht Mizzi? Auch nicht. Nein, wir kennen ihn nicht.«
»Das ist merkwürdig«, sagte K., »er ist der Sohn eines Unterkastellans.«
»Lieber Herr Landvermesser«, sagte der Vorsteher, »wie soll ich denn alle Söhne aller Unterkastellane kennen?«
»Gut«, sagte K., »dann müssen Sie mir also glauben, daß er es ist. Mit diesem Schwarzer hatte ich noch am Tage meiner Ankunft einen ärgerlichen Auftritt. Er erkundigte sich dann telephonisch bei einem Unterkastellan namens Fritz und bekam die Auskunft, daß ich als Landvermesser aufgenommen sei. Wie erklären Sie sich das, Herr Vorsteher?«
»Sehr einfach«, sagte der Vorsteher, »Sie sind eben noch niemals wirklich mit unsern Behörden in Berührung gekommen. Alle diese Berührungen sind nur scheinbar, Sie aber halten sie infolge Ihrer Unkenntnis der Verhältnisse für wirklich. Und was das Telephon betrifft: Sehen Sie, bei mir, der ich doch wahrlich genug mit den Behörden zu tun habe, gibt es kein Telephon. In Wirtsstuben u. dgl. da mag es gute Dienste leisten, so etwa wie ein Musikautomat, mehr ist es auch nicht. Haben Sie schon einmal hier telephoniert, ja? Nun also dann werden Sie mich vielleicht verstehn. Im Schloß funktioniert das Telephon offenbar ausgezeichnet; wie man mir erzählt hat wird dort ununterbrochen telephoniert, was natürlich das Arbeiten sehr beschleunigt. Dieses ununterbrochene Telephonieren hören wir in den hiesigen Telephonen als Rauschen und Gesang, das haben Sie gewiß auch gehört. Nun ist aber dieses Rauschen und dieser Gesang das einzige Richtige und Vertrauenswerte, was uns die hiesigen Telephone übermitteln, alles andere ist trügerisch. Es gibt keine bestimmte telephonische Verbindung mit dem Schloß, keine Zentralstelle, welche unsere Anrufe weiterleitet; wenn man von hier aus jemanden im Schloß anruft, läutet es dort bei allen Apparaten der untersten Abteilungen oder vielmehr es würde bei allen läuten, wenn nicht, wie ich bestimmt weiß, bei fast allen dieses Läutwerk abgestellt wäre. Hie und da aber hat ein übermüdeter Beamter das Bedürfnis sich ein wenig zu zerstreuen – besonders am Abend oder bei Nacht – und schaltet das Läutwerk ein, dann bekommen wir Antwort, allerdings eine Antwort, die nichts ist als Scherz. Es ist das ja auch sehr verständlich. Wer darf denn Anspruch erheben, wegen seiner privaten kleinen Sorgen mitten in die wichtigsten und immer rasend vor sich gehenden Arbeiten hineinzuläuten. Ich begreife auch nicht, wie selbst ein Fremder glauben kann, daß wenn er z.B. Sordini anruft, es auch wirklich Sordini ist, der ihm antwortet. Vielmehr ist es wahrscheinlich ein kleiner Registrator einer ganz anderen Abteilung. Dagegen kann es allerdings in auserlesener Stunde geschehn, daß, wenn man den kleinen Registrator anruft, Sordini selbst die Antwort gibt. Dann freilich ist es besser, man läuft vom Telephon weg ehe der erste Laut zu hören ist.«
»So habe ich das allerdings nicht angesehn«, sagte K., »diese Einzelnheiten konnte ich nicht wissen, viel Vertrauen aber hatte ich zu diesen telephonischen Gesprächen nicht und war mir immer dessen bewußt, daß nur das wirkliche Bedeutung hat, was man geradezu im Schloß erfährt oder erreicht.«
»Nein«, sagte der Vorsteher an einem Wort sich festhaltend, »wirkliche Bedeutung kommt diesen telephonischen Antworten durchaus zu, wie denn nicht? Wie sollte eine Auskunft, die ein Beamter aus dem Schloß gibt, bedeutungslos sein? Ich sagte es schon gelegentlich des Klammschen Briefes. Alle diese Äußerungen haben keine amtliche Bedeutung; wenn Sie ihnen amtliche Bedeutung zuschreiben, gehen Sie in die Irre, dagegen ist ihre private Bedeutung im freundschaftlichen oder feindseligen Sinne sehr
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