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Das Schloß

Das Schloß

Titel: Das Schloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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des Schlittens veranlaßt hatte. Das eigentlich Schlimme aber war ja, daß ihn der Herr überrascht hatte, daß nicht genug Zeit mehr gewesen war, sich vor ihm zu verstecken, um dann ungestört auf Klamm warten zu können oder daß er nicht genug Geistesgegenwart gehabt hatte, im Schlitten zu bleiben, die Tür zu schließen und dort auf den Pelzen Klamm zu erwarten oder dort wenigstens zu bleiben solange dieser Herr in der Nähe war. Freilich, er hatte ja nicht wissen können, ob nicht vielleicht doch schon jetzt Klamm selbst komme, in welchem Fall es natürlich viel besser gewesen wäre, ihn außerhalb des Schlittens zu empfangen. Ja, es war mancherlei hier zu bedenken gewesen, jetzt aber gar nichts mehr, denn es war zu Ende.
    »Kommen Sie mit mir«, sagte der Herr, nicht eigentlich befehlend, aber der Befehl lag nicht in den Worten, sondern in einem sie begleitenden kurzen absichtlich gleichgültigen Schwenken der Hand. »Ich warte hier auf jemanden«, sagte K., nicht mehr in Hoffnung auf irgendeinen Erfolg, sondern nur grundsätzlich. »Kommen Sie«, sagte der Herr nochmals, ganz unbeirrt, so als wolle er zeigen, daß er niemals daran gezweifelt habe, daß K. auf jemanden warte. »Aber ich verfehle dann den auf den ich warte«, sagte K. mit einem Zucken des Körpers. Trotzallem was geschehen war hatte er das Gefühl, daß das was er bisher erreicht hatte eine Art Besitz war, den er zwar nur noch scheinbar festhielt aber doch nicht auf einen beliebigen Befehl hin ausliefern mußte. »Sie verfehlen ihn auf jeden Fall ob Sie warten oder gehn«, sagte der Herr zwar schroff in seiner Meinung aber auffallend nachgiebig für K.’s Gedankengang. »Dann will ich ihn lieber beim Warten verfehlen«, sagte K. trotzig, durch bloße Worte dieses jungen Herrn würde er sich gewiß nicht von hier vertreiben lassen. Darauf schloß der Herr mit einem überlegenen Ausdruck des zurückgelehnten Gesichtes für ein Weilchen die Augen, so als wolle er von K.’s Unverständigkeit wieder zu seiner eigenen Vernunft zurückkehren, umlief mit der Zungenspitze die Lippen des ein wenig geöffneten Mundes und sagte dann zum Kutscher: »Spannen Sie die Pferde aus!«
    Der Kutscher, ergeben dem Herrn, aber mit einem bösen Seitenblick auf K. mußte nun doch im Pelz hinuntersteigen und begann sehr zögernd, so als erwarte er nicht vom Herrn einen Gegenbefehl, aber von K. eine Sinnesänderung, die Pferde mit dem Schlitten rückwärts näher zum Seitenflügel zurückzuführen, in welchem offenbar hinter einem großen Tor der Stall mit dem Wagenschupfen untergebracht war. K. sah sich allein zurückbleiben, auf der einen Seite entfernte sich der Schlitten, auf der andern, auf dem Weg den K. gekommen war, der junge Herr, beide allerdings sehr langsam, so als wollten sie K. zeigen, daß es noch in seiner Macht gelegen sei sie zurückzuholen.
    Vielleicht hatte er diese Macht, aber sie hätte ihm nicht nützen können; den Schlitten zurückzuholen, bedeutete sich selbst vertreiben. So blieb er still, als einziger der den Platz behauptete, aber es war ein Sieg, der keine Freude machte. Abwechselnd sah er dem Herrn und dem Kutscher nach. Der Herr hatte schon die Tür erreicht, durch die K. zuerst den Hof betreten hatte, noch einmal blickte er zurück, K. glaubte ihn den Kopf schütteln zu sehn über so viel Hartnäckigkeit, dann wandte er sich mit einer entschlossenen kurzen endgiltigen Bewegung um und betrat den Flur, in dem er gleich verschwand. Der Kutscher blieb länger auf dem Hof, er hatte viel Arbeit mit dem Schlitten, er mußte das schwere Stalltor aufmachen, durch Rückwärtsfahren den Schlitten an seinen Ort bringen, die Pferde ausspannen, zu ihrer Krippe führen, das alles machte er ernst, ganz in sich gekehrt, schon ohne jede Hoffnung auf eine baldige Fahrt; dieses schweigende Hantieren ohne jeden Seitenblick auf K. schien diesem ein viel härterer Vorwurf zu sein, als das Verhalten des Herrn. Und als nun nach Beendigung der Arbeit im Stall der Kutscher quer über den Hof gieng in seinem langsamen schaukelnden Gang, das große Tor zumachte, dann zurückkam, alles langsam und förmlich nur in Betrachtung seiner eigenen Spur im Schnee, dann sich im Stall einschloß und nun auch alles elektrische Licht verlöschte – wem hätte es leuchten sollen? – und nur noch oben der Spalt in der Holzgallerie hell blieb und den irrenden Blick ein wenig festhielt, da schien es K. als habe man nun alle Verbindung mit ihm abgebrochen und als sei er nun

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