Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schloß

Das Schloß

Titel: Das Schloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
Vom Netzwerk:
konnte ihr zwar den Besitz nicht entreißen, konnte aber an ihn rühren und aufmuntern für den schweren Weg. Dann war es vielleicht nicht anders als bei Frieda? Oh doch, es war anders. Man mußte nur an Friedas Blick denken, um das zu verstehn. Niemals hätte K. Pepi angerührt. Aber doch mußte er jetzt für ein Weilchen seine Augen bedecken, so gierig sah er sie an.
    »Es muß ja nicht angezündet sein«, sagte Pepi und drehte das Licht wieder aus, »ich habe nur angezündet, weil Sie mich so sehr erschreckt haben. Was wollen Sie denn hier? Hat Frieda etwas vergessen?« »Ja«, sagte K. und zeigte auf die Tür, »hier im Zimmer nebenan, eine Tischdecke, eine weiße, gestrickte.« »Ja, ihre Tischdecke«, sagte Pepi, »ich erinnere mich, eine schöne Arbeit, ich habe ihr auch dabei geholfen, aber in diesem Zimmer ist sie wohl kaum.« »Frieda glaubt es. Wer wohnt denn hier?« fragte K. »Niemand«, sagte Pepi, »es ist das Herrenzimmer, hier trinken und essen die Herren, d.h. es ist dafür bestimmt, aber die meisten Herren bleiben oben in ihren Zimmern.« »Wenn ich wüßte«, sagte K., »daß jetzt nebenan niemand ist, würde ich sehr gerne hineingehn und die Decke suchen. Aber es ist eben unsicher, Klamm z.B. pflegt oft dort zu sitzen.« »Klamm ist jetzt gewiß nicht dort«, sagte Pepi, »er fährt ja gleich weg, der Schlitten wartet schon im Hof.«
    Sofort, ohne ein Wort der Erklärung, verließ K. den Ausschank, wandte sich im Flur statt zum Ausgang, gegen das Innere des Hauses und hatte nach wenigen Schritten den Hof erreicht. Wie still und schön hier war! Ein viereckiger Hof, auf drei Seiten vom Hause, gegen die Straße zu – eine Nebenstraße die K. nicht kannte – von einer hohen weißen Mauer mit einem großen schweren jetzt offenen Tor begrenzt. Hier auf der Hofseite schien das Haus höher als auf der Vorderseite, wenigstens war der erste Stock vollständig ausgebaut und hatte ein größeres Ansehen, denn er war von einer hölzernen, bis auf einen kleinen Spalt in Augenhöhe geschlossenen Gallerie umlaufen. K. schief gegenüber, noch im Mitteltrakt aber schon im Winkel, wo sich der gegenüberliegende Seitenflügel anschloß, war ein Eingang ins Haus, offen, ohne Tür. Davor stand ein dunkler geschlossener mit zwei Pferden bespannter Schlitten. Bis auf den Kutscher, den K. auf die Entfernung hin jetzt in der Dämmerung mehr vermutete, als erkannte, war niemand zu sehn.
    Die Hände in den Taschen, vorsichtig sich umschauend, nahe an der Mauer umgieng K. zwei Seiten des Hofes, bis er beim Schlitten war. Der Kutscher, einer jener Bauern, die letzthin im Ausschank gewesen waren, hatte ihn, im Pelz versunken, teilnahmslos herankommensehn, so wie man etwa den Weg einer Katze verfolgt. Auch als K. schon bei ihm stand, grüßte, und sogar die Pferde ein wenig unruhig wurden wegen des aus dem Dunkel auftauchenden Mannes, blieb er gänzlich unbekümmert. Das war K. sehr willkommen. Angelehnt an die Mauer packte er sein Essen aus, gedachte dankbar Friedas, die ihn so gut versorgt hatte, und spähte dabei in das Innere des Hauses. Eine rechtwinklig gebrochene Treppe führte herab, und war unten von einem niedrigen aber scheinbar tiefen Gang gekreuzt, alles war rein, weiß getüncht, scharf und gerade abgegrenzt.
    Das Warten dauerte länger als K. gedacht hatte. Längst schon war er mit dem Essen fertig, die Kälte war empfindlich, aus der Dämmerung war schon völlige Finsternis geworden und Klamm kam noch immer nicht. »Das kann noch sehr lange dauern«, sagte plötzlich eine rauhe Stimme so nahe bei K., daß er zusammenfuhr. Es war der Kutscher der, wie aufgewacht, sich streckte und laut gähnte. »Was kann denn lange dauern?« fragte K., nicht undankbar wegen der Störung, denn die fortwährende Stille und Spannung war schon lästig gewesen. »Ehe Sie weggehn werden«, sagte der Kutscher. K. verstand ihn nicht, fragte aber nicht weiter, er glaubte auf diese Weise den Hochmütigen am besten zum Reden zu bringen. Ein Nichtantworten hier in der Finsternis war fast aufreizend. Und tatsächlich fragte der Kutscher nach einem Weilchen: »Wollen Sie Kognak?« »Ja«, sagte K. unüberlegt, durch das Angebot allzusehr verlockt, denn ihn fröstelte. »Dann machen Sie den Schlitten auf«, sagte der Kutscher, »in der Seitentasche sind einige Flaschen, nehmen Sie eine, trinken Sie und reichen Sie sie mir dann. Mir ist es wegen des Pelzes zu beschwerlich hinunterzusteigen.« Es verdroß K. solche Handreichungen zu

Weitere Kostenlose Bücher