Das schottische Vermächtnis: Roman (German Edition)
die Münzen wollte ich Ihnen ja noch geben«, sagte Jimmy und holte eine große Rolle in braunem Papier heraus. »Das sind erst mal zehn Pfund für den Anfang.«
Ich gab ihm einen Zehn-Pfund-Schein, und er bedankte sich.
Als Stuart meinen fragenden Blick in Richtung des schwarzen Kastens über der Tür bemerkte, erklärte er mir seine Funktionsweise. »Hier sehen Sie, wie viel Zeit Sie noch haben, und das da ist der Zähler – der zeigt den Stromverbrauch an. Sie sollten also ein Auge darauf haben und rechtzeitig eine Münze einwerfen, sonst sitzen Sie irgendwann im Dunkeln da. Ich steck schon mal die ersten rein, dann brauchen Sie sich eine Weile nicht drum zu kümmern.«
Er war groß genug, um die Münzen einfach in den Schlitz schieben zu können. Ich würde einen Hocker benötigen.
»Ich hab ein paar Lebensmittel für Sie eingekauft«, sagte Jimmy. »Brot und Eier und Milch, damit Sie morgen nicht gleich in den Laden runter müssen.«
Ich bedankte mich, gerührt, weil er sich meinetwegen so viel Mühe gemacht und das Cottage auch noch eigens geputzt hatte. Wieder überkam mich ein Gefühl, als hätte ich endlich so etwas wie eine Heimat gefunden.
»Na, na«, wiegelte Jimmy ab, doch er klang erfreut. »Wenn Sie noch was brauchen sollten: Ich bin ganz in der Nähe. Aber jetzt lassen wir Sie lieber allein, damit Sie sich ein bisschen ausruhen können.«
Ich bedankte mich noch einmal bei beiden, wünschte ihnen eine gute Nacht und brachte sie zur Tür. Als ich sie hinter ihnen schließen wollte, drehte Stuart sich um und sagte: »Übrigens gibt’s hier tatsächlich ein Telefon. Es steht da drüben. Und die Nummer weiß ich auch.«
Dann verschwand er mit einem letzten charmanten Lächeln.
Ich hörte die Schritte von Vater und Sohn und ihre Stimmen, als sie sich über den Fußweg entfernten, dann herrschte Stille, nur unterbrochen vom Geräusch des Windes an den Fenstern und vom Tosen der Wellen, die sich an den Klippen brachen.
Es machte mir nichts aus, allein zu sein, aber trotzdem setzte ich mich nach dem Auspacken mit einer Tasse löslichem Kaffee in den Sessel in der Ecke und wählte die Nummer des Menschen, den ich immer anrief, wenn ich mit jemandem reden wollte.
»Hallo, Daddy«, sagte ich, als er ranging. »Ich bin’s.«
»Carrie! Wie schön, von dir zu hören.« Die angenehme Stimme meines Vaters klang ganz nahe. »Augenblick, ich hol deine Mutter.«
»Nein, nein, ich möchte mich mit dir unterhalten.«
»Mit mir?« Mein Vater redete nur ungern am Telefon. Normalerweise machten wir ein paar Minuten Small Talk, bevor er mich an meine deutlich gesprächigere Mutter weiterreichte. Es sei denn natürlich …
»Ich hätte da eine Frage über unsere Familiengeschichte«, sagte ich. »Es geht um David John McClellands Frau, die mit ihm von Schottland nach Irland übersiedelte. Wie war noch mal ihr Familienname? Mit Vornamen hieß sie Sophia, oder?«
»Sophia, hm.« Er überlegte kurz. »Ja, Sophia. Soweit ich mich erinnere, haben sie so um 1710 geheiratet. Es ist eine ganze Weile her, dass ich mich mit den McClellands beschäftigt habe, Liebes. In letzter Zeit war ich eher in die Familie deiner Mutter vertieft.« Aber in seinen bestens geordneten Unterlagen fand er die relevanten Informationen schon bald. »Hier ist sie: Sophia Paterson, mit einem ›t‹.«
»Paterson, aha. Danke.«
»Wieso interessiert sie dich plötzlich?«
»Ich möchte sie als Figur in meinen neuen Roman einbauen. Er spielt in Schottland, und da sie in der richtigen Zeit lebte, dachte ich …«
»Hatte die Handlung nicht mit Frankreich zu tun?«
»Ich hab sie nach Schottland verlegt, und da bin ich jetzt auch, in Cruden Bay, nicht weit von dem Ort, in dem Jane und ihr Mann wohnen. Ich geb dir die Adresse und die Telefonnummer.«
Er notierte sich beides. »Wie lange willst du dort bleiben?«
»Keine Ahnung. Wahrscheinlich den Rest des Winters. Was wissen wir sonst noch über Sophia Paterson?«, fragte ich.
»Nicht sonderlich viel. Ich konnte nichts über Geburtsdatum und -ort sowie Eltern in Erfahrung bringen. Laut Familienbibel heiratete sie David John im Juni 1710, im schottischen Kirkcudbright. Die Geburtsdaten ihrer drei Kinder – John, James und Robert – in Belfast habe ich, und auch das ihrer Beisetzung 1743, im selben Jahr, in dem auch ihr Mann starb. Einzelheiten über ein Frauenleben in der Zeit lassen sich gar nicht so leicht herausfinden.«
Das wusste ich aufgrund meiner jahrelangen genealogischen
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