Das Schwarze Weib
Dietrich von Remchingen sprach mit rundum vernehmlicher Stimme: »Höret mich, ihr Bürger und Einwohner von Wachenheim! ihr sollt Zeugen sein dessen, was ich der hier vor mir stehenden, euch allen bekannten, ehrsamen Jungfrau zu verkündigen habe.«
Er entblößte das Haupt, und als alle Männer das gleiche getan hatten, fuhr er fort: »Auf gnädigsten Befehl und im Namen des Reichsvikarius, unseres durchlauchtigen Kurfürsten und Pfalzgrafen bei Rhein Karl Ludwig spreche ich dich, Gontrud Hegewald, vor der versammelten Bürgerschaft zum Lohn und Dank für deine mutige Rettungstat beim Brande vom Wildfangrechte los und ledig. Gib mir die Hand! Sieh' so halt ich dich noch, und wie ich deine Hand jetzt aus der meinigen loslasse, so geb ich dich frei für alle Zeiten und in alle vier Winde. Du kannst bleiben oder gehen, wohin du willst, und nie und nirgend, weder nah noch fern darf ein nachfolgender, nachjagender Herr den geringsten Anspruch an dich erheben, mit keinem Fug und Recht, aus keinerlei Ursach' oder Vorwand. Hier lege ich dir meine Hand aufs Haupt und sage noch einmal: du bist frei, Gontrud Hegewald!«
Darauf bedeckte er sich wieder mit dem Hute und fügte weniger laut hinzu: »Und nun nimm von mir dies silberne Kettlein mit anhängendem Bilde des Ritters Sankt Georg und trag es, wann du willst, zum Andenken an diese Stunde und an den, dem es beschieden war, sie dir bereiten zu können.«
Trudi verneigte sich tief, und nachdem ihr der Freiherr die Kette um den Hals geschlungen hatte, küßte sie ihm stumm die Hand, obwohl er's ihr wehren wollte.
In diesem Augenblicke begann von zwei Glocken auf dem Turme ein frohes Festgeläut, und nun brach die Volksmenge in brausende Jubelrufe aus: Heil dem Reichsfreiherrn von Remchingen! Heil Trudi! Heil unserm Bürgermeister!
Trudi begab sich auf ihren Platz zurück. Frei, frei! o mein Gott, ich danke dir! Mehr konnte sie jetzt nicht denken; es summte und sauste ihr in den Ohren, und sie wußte sich nun vor den auf sie zustürmenden Männern und Frauen, Burschen und Mädchen, die sie beglückwünschen wollten, kaum zu retten. Fast zuletzt kam einer, der sprach kein Wort, aber er hielt Trudis Hand länger in der seinen und blickte ihr inniger in die Augen als alle die anderen. Das war Franz Gersbacher.
Zu Hause auf dem Abtshofe empfingen die Freie liebende Arme, und jedem der gleich ihr mächtig Bewegten bot sie in überquellender Dankbarkeit die Lippen dar, sogar Schneckenkaschper, der nicht wußte, wie ihm geschah und womit er diese feenhafte Gunst verdient hatte.
Aber dann gab es kein müssiges Ausruhen; nun mußte das Mahl gerüstet werden, mit dem der Bürgermeister aus Anlaß des freudevollen Ereignisses seine nächsten Freunde heute bewirten wollte, den Freiherrn, die Gersbachers, Lutz Hebenstreit, den angesehenen Vorsteher der Winzergilde Berthold Breitinger mit Frau und Tochter, Armbrusters Tochter und Schwiegersohn, die aus Neustadt herübergekommen waren, und noch sechs oder acht andere. Der Schultheiß hatte die Einladung dankend abgelehnt, weil er aus gesundheitlichen Gründen alle Schmausereien mied, bei denen es der überaus freigebigen pfälzischen Gastlichkeit gemäß ihm zu hoch herging.
Zur festgesetzten Abendstunde fand sich die Gesellschaft in Christophs Schreibstube ein und begab sich, als sie vollzählig beisammen war, in die geräumige Wohnstube, wo von Trudi und Ammerie an zwei gedeckten Tischen jedem der ihm zugedachte Platz angewiesen wurde.
Der Freiherr saß neben der Frau Bürgermeisterin, Franz neben Trudi, und diesen beiden war so selig zu Sinn, als wäre dies schon ihre Hochzeitstafel. Auch Schneckenkaschper durfte nicht fehlen und hatte seinen Platz an Ammeries Seite.
Nach dem ersten Gange erhob sich der Freiherr und hielt mit dem ganzen Gewicht seiner würdevollen und vornehmen Persönlichkeit an die Tischgenossen eine inhaltreiche Ansprache zu Ehren Trudis. Er pries und feierte sie für das, was sie getan und was sie gelitten hatte, mit von Herzen kommenden und zu Herzen gehenden Worten und versicherte, es würde ihm zeitlebens eine liebe Erinnerung bleiben, daß es ihm vergönnt gewesen wäre, die von allen hochgeschätzte Niftel seines Freundes Armbruster vom Wildfangrechte zu lösen. Daran knüpfte er die besten Wünsche für eine glückliche Zukunft der nunmehr freien Pfälzerin, die der allmächtige Gott auch ferner in seinen gnädigen Schutz nehmen möchte.
Bald darauf antwortete Christoph seinem ritterlichen Freunde
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