Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)
bedeutungslos, somit hat Zeit auch für die Bestie keinerlei Bedeutung. Demzufolge steht sie bei dem Versuch, dich zu töten, nicht unter Zeitdruck. Zeitdruck wiederum würde ihrem Tun eine bewusste Absicht, eine Zielgerichtetheit verleihen, die ihr so etwas wie ein Wesen geben würde. Es ist keineswegs so, dass sie bei jedem Sonnenuntergang den Drang verspürt, ihre Mission endlich zum Abschluss zu bringen. Für sie ist ein Tag wie der andere, ihre Tage ziehen sich in endloser Folge dahin.
Weil ihr aber jedes Zeitgefühl abgeht, bedarf es keines Wesens. Für alle Lebewesen ist Zeit ein Teil dessen, was ihnen Bedeutung verleiht, sie ist das Element, welches das Wesen aller Dinge gestalten hilft. Selbst eine Motte, die für ihr beflügeltes Leben von gerade mal einem Tag Dauer aus ihrem Kokon schlüpft, muss sich während dieses einen Tages paaren und Eier ablegen, oder es wäre das Ende ihrer Art.
Die Blutbestie dagegen unterliegt nicht dem Einfluss der Zeit. Ein wesentliches Element ihrer Veranlagung ist die Ewigkeit der Unterwelt, die im Widerspruch zum Gedanken der Schöpfung steht, da die Unterwelt die Vernichtung der Schöpfung ist. Diese Mischung, dieser innere Konflikt, ist Bestandteil jenes Antriebsmechanismus, der ihr Handeln so chaotisch macht. Als Nicci subtraktive Magie verwendete, um das Blutgerinnsel aus deinem Körper zu entfernen, erhielt die Bestie über seine Wurzeln in der Unterwelt eine Kostprobe von dir, oder präziser, eine gewisse Dosis deiner Magie.
Nun ist in deinem Blut sowohl additive als auch subtraktive Magie enthalten. Die Bestie wurde so erschaffen, dass sie dich anhand deiner Essenz, nämlich der Magie, erkennen kann, was es ihr ermöglichte, die üblichen Grenzen zwischen den Welten zu überschreiten. Sie war darauf angewiesen, dass du erst einmal Magie benutzt, um Verbindung mit dir aufnehmen zu können, eine Verbindung, die es ihr ermöglichte, Jagd auf dich zu machen. Doch mit der Kostprobe deines Blutes taten sich auf einmal ganz neue Möglichkeiten für sie auf, dich zu erkennen.
Denn was die Bestie in diesem Moment zu schmecken bekam, war die einzigartige in deinem Blut enthaltene Magie, wie sie dir von Zedds und von Darken Rahls Seite vererbt worden ist. Diese Kostprobe war es schließlich, die die Mutation der von Jagangs Günstlingen erschaffenen Bestie bewirkte.
Sie nimmt nicht etwa das Blut selbst wahr, sondern sie spürt die Elemente der ihm innewohnenden Magie. Aus diesem Grund wird jede Verwendung von Magie die Bestie anlocken und sie zunehmend gefährlich machen, denn von nun an kann sie jede Verwendung deiner Magie überall auf der Welt aufspüren. Die Magie eines Menschen ist einzigartig, und deine ist der Bestie jetzt bekannt. Deswegen darfst du unter keinen Umständen Gebrauch von deiner Gabe machen. Es war Nicci, die der Bestie gegeben hat, was sie wirklich benötigte – kurz nachdem sie durch deinen ersten Gebrauch deiner Gabe zum Leben erweckt worden war. Schon möglich, dass sie es getan hat, um dir das Leben zu retten, schon möglich, dass sie keine andere Wahl hatte, aber getan hat sie es. Jede Anwendung deiner Magie vermag die Blutbestie von jetzt an noch müheloser auf deine Spur zu locken. Fast hat es den Anschein, als hätte Nicci mit ihrer Tat in gewisser Hinsicht ihren Eid als Schwester der Finsternis erfüllt.«
Mittlerweile sträubten sich die Härchen in Richards Nacken. Nur zu gern hätte er einen Weg gewusst, Shota zu widerlegen, hätte er einen Riss in dem schier undurchdringlichen Panzer dieses Ungeheuers gefunden, dem sie in seiner Vorstellung Gestalt verliehen hatte.
»Aber die Bestie hat mich angegriffen, als ich gar keine Magie benutzte. Erst heute Morgen hat sie unser Lager überfallen, auch da habe ich keine Magie benutzt.«
Shota bedachte ihn mit einem jener Blicke, die ihm augenblicklich das Gefühl gaben, hoffnungslos unwissend zu sein. »Aber du hast heute Morgen Magie benutzt.«
»Nein«, beharrte er. »Da hab ich doch noch geschlafen. Wie hätte ich da Magie …«
Er ließ den Satz unbeendet. Sein Blick wanderte hinüber zu den fernen Hügeln des Tals und dem dahinter liegenden Gebirge. Er erinnerte sich, wie er aufgewacht war und ihn diese entsetzliche Erinnerung an den Morgen von Kahlans Verschwinden überkommen hatte und wie er plötzlich gemerkt hatte, dass er das Heft seines Schwertes in der Hand hielt, die Klinge bereits halb aus der Scheide. Und dann fiel ihm ein, wie die verstohlene Magie des Schwertes durch seinen
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