Das silberne Zeichen (German Edition)
die Fahne des Marienstifts zu berühren, war er vor weiterer strafrechtlicher Verfolgung wenigstens vorläufig geschützt und durfte ungehindert mit der Prozession bis zum Dom ziehen.
Es ging nicht darum, Straftäter gänzlich vor ihrer Verurteilung zu schützen, sondern meistens um die Möglichkeit, während der Asylzeit eine Strafmilderung, einen privaten Sühnevertrag oder Ähnliches auszuhandeln. Allerdings kam es auch vor, dass das Marienstift dem Betreffenden half, durch Flucht aus der Stadt zu entkommen.
Da die Stadtobrigkeit diesen Asylbrauch natürlich nicht schätzte und zu unterbinden versuchte, kam es hin und wieder sogar zu Ausschreitungen, wenn beispielsweise das Marienstift gewaltsam in das Gefängnis einbrach, um einen bestimmten Gefangenen herauszuholen. Auch kam es – wie in der vorliegenden Geschichte – vor, dass der Vogtmeier versuchte, den Gefangenen rechtzeitig vor einer Prozession wegführen zu lassen. Nicht selten geschah es dann, dass die Prozession ihnen folgte, den Gefangenen regelrecht einkesselte und so der Gewalt des Vogtmeiers entzog.
Nicht immer stand dabei das Wohl oder Wehe des Gefangenen im Vordergrund, sondern es handelte sich oft schlicht und ergreifend um ein Machtspiel zwischen Marienstift und der Stadt. Genau dieser Punkt war es, der für mich so interessant wurde, dass ich ihn für meinen Roman einfach verwenden musste.
In historischen Romanen finden sich darüber hinaus immer eine Reihe von Begriffen und Namen, die möglicherweise der Erklärung bedürfen.
GLOSSAR
ACHT: Aachener Gerichtsgebäude
HEUKE: ärmelloser, glockenförmig geschnittener Umhang für Männer und Frauen
GREVE, ZUNFTGREVE: In manchen deutschen Sprachgebieten die Amtsbezeichnung eines Dorfvorstands, Schultheißen oder Dorfrichters. Im Aachener Raum ist die Bezeichnung auch für das Amt des Zunftvorstehers belegt.
INQUISITION: spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Gerichtsverfahren, die sich unter der Mitwirkung oder im Auftrag von Geistlichen hauptsächlich der Verfolgung von Häretikern/Ketzern widmeten.
KANONIKER: Kleriker, die als Mitglieder eines Kapitels an einer Kathedrale, Basilika oder Ordenskirche an der gemeinsamen Liturgie, also der Feier der heiligen Messe und des Stundengebets, mitwirken. Kanoniker leben im Gegensatz zu anderen Priestern und Diakonen in Gemeinschaft. Der Vorsteher eines Kapitels ist in der Regel ein Propst oder auch Abt, manchmal ist die Leitung auch einem Dekan oder Prior übertragen.
RELIQUIAR/RELIQUIENSCHREIN: künstlerisch und materiell sehr kostbar ausgeführtes Behältnis zur Aufbewahrung von Reliquien
Auch viele der Straßennamen Aachens haben sich über die Jahrhunderte verändert. Um Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, die Orientierung zu erleichtern, habe ich die in diesem Buch genannten Straßen und Plätze mit ihren heutigen Namen zusammengestellt:
SPÄTES MITTELALTER:
HEUTE:
Auf dem Graben
Hirschgraben
Cymmergraben
Kapuzinergraben
Die Kreme
Krämerstraße
Kaxhof
Katschhof
Parvisch
Fischmarkt
Ryegasse
Reihstraße
St. Ailbretstraße
Adalbertstraße
REZEPT
Zu guter Letzt möchte ich Ihnen natürlich auch nicht das Rezept für die köstlichen Krapfen mit Apfelfüllung vorenthalten, die Marysa als Fastenspeise ganz besonders schätzt:
EINEN KRAPFEN
So du aber wilt einen vasten krapfen machen von nu:ezzen mit ganzen kern, vnd nim als vil epfele dor under vnd snide sie wu:erfeleht, als der kern ist, vnd ro:est sie wol mit ein wenig honiges vnd mengez mit wu:ertzen vnd tu:o ez vf die bleter, die do gemaht sin zv:o krapfen. vnd loz ez backen vnd versaltz niht.
(aus: Das buoch von guoter spîse, 1345/52, und Kuchenmeysterey, um 1486)
FASTENKRAPFEN
Zutaten für den Teig:
Zutaten für die Füllung:
3 EL Wein
200 g Haselnüsse
2 EL Honig
(oder Walnüsse)
300 g Mehl
2 säuerliche Äpfel
6 Eigelb
2 EL Honig
70 g Butter
Zimt, Ingwer, Nelken, Safran
Salz
Kardamom nach Belieben
3 EL Sahne
Schmalz zum Ausbacken
1 Eiweiß
ZUBEREITUNG:
Die Haselnüsse fein hacken, die Äpfel schälen, vom Kerngehäuse befreien und ebenfalls fein hacken. Äpfel und Nüsse vermengen und mit Honig, Zimt, Ingwer, Nelken, Safran und evtl. ein wenig Kardamom abschmecken.
Wein mit dem Honig aufkochen, sodass der Honig sich auflöst.
In einer Schüssel Mehl, Butter, Salz, die größte Menge des Wein-Honig-Gemischs und Sahne vermengen.
In einer kleinen Schüssel die Eidotter mit dem restlichen Honig-Wein-Gemisch
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