Das silberne Zeichen (German Edition)
Stadtrates. Leserlich waren sie allerdings nicht mehr, taugen also nicht als Beweisstücke. Allerdings ist dies auch nicht notwendig, denn glücklicherweise sind wir schon seit einiger Zeit im Besitz der Duplikate, die der Bote des Marienstifts aus Frankfurt holen sollte.»
«Wie bitte?» Bardolf fuhr von seinem Sitzplatz auf. «Ihr hattet die Beweise die ganze Zeit und habt sie uns vorenthalten?»
«Meister Goldschläger!» Mahnend hob van Eupen die Hand. «Es ist Euch nicht gestattet, die Sitzung des Schöffenkollegs zu unterbrechen.» Dann wandte er sich an Jacobus. «Allerdings interessiert mich dies ebenso. Ihr seid im Besitz der Urkunden und habt sie uns nicht vorgelegt, obgleich sie den Schreinemaker vollständig entlasten?»
«Dem ist so», gab Jacobus zu. «Es geschah jedoch allein aus dem Grund, dass wir jenen Schurken, der die ursprünglichen Schriftstücke entwendet hatte, überführen wollten. Überdies hat er nämlich, wie ich feststellen musste, den Boten des Stiftes ebenfalls getötet. Ich fand ihn zufällig in einem verlassenen Waldstück.»
«Ihr fandet ihn?»
«Ich war es, der die Abschriften der Urkunden in Frankfurt in Auftrag gab», erklärte Jacobus. «Mir war von Anfang an klar, wie unsicher die Entsendung eines einzelnen Boten war. Zu viele ungereimte Vorfälle hatten sich in kürzester Zeit ereignet. Auch war in mir schnell der Verdacht aufgekeimt, dass Meister Schreinemakers Verhaftung und die gefälschten Silberzeichen in einem Zusammenhang stehen mussten. Ich wollte herausfinden, in welchem.» Er drehte sich wieder zu Christoph um. «Ihr mögt es mir verzeihen, dass ich Euch länger als nötig der Haft im Grashaus ausgesetzt habe und Euch darüber hinaus auf derart ungewöhnliche Weise genötigt habe, dasselbe zu verlassen.»
Christoph runzelte die Stirn. Nach einem Moment des Schweigens trat van Eupen vor. «So legt uns denn nun endlich diese vermaledeiten Urkunden vor, Herr Inquisitor, damit wir sie prüfen können.»
«Nichts lieber als das.» Jacobus ging zu dem Platz, auf dem er vorher gesessen hatte, und nahm einen Stapel Schriftstücke auf, trug sie gemessenen Schrittes zu van Eupen und übergab sie ihm. «Bitte sehr.» Er gab einem der beiden jungen Dominikaner, die sich in der Nähe der Tür postiert hatten, ein Zeichen, woraufhin dieser rasch den Saal verließ. «Für den Fall, dass Euch diese Urkunden wider Erwarten als Beweise nicht ausreichen sollten, habe ich mir erlaubt, einen Mann nach Aachen zu holen, der auch die letzten Eurer Zweifel ausräumen wird.»
Van Eupen, der bereits aufmerksam den Wortlaut und das Siegel auf der ersten Urkunde betrachtete, hob überrascht den Kopf. «Sagt bloß, Ihr habt den Zwillingsbruder ausfindig gemacht!»
Jacobus schüttelte bedauernd den Kopf. «Das war leider auch mir nicht möglich, Herr van Eupen. Bruder Christophorus befindet sich auf einer Pilgerreise in ferne Länder und damit außerhalb unserer Reichweite. Aber es gibt einen Mann, der beide Brüder kennt, denn jedem von ihnen war er Lehrer, Beichtvater und Freund.» Er schwieg bedeutungsvoll, bis sich kurz darauf die Saaltür wieder öffnete. Der junge Dominikaner trat an der Seite eines alten Ordensmannes ein, dessen Haar beinahe so weiß war wie sein Habit. Buschige Augenbrauen überschatteten zwei muntere Augen; das Gesicht war von tiefen Runzeln durchzogen.
Jacobus lächelte ihm zu und wandte sich wieder an die Schöffen: «Ich möchte Euch den Prior des Frankfurter Dominikanerkonvents vorstellen …»
Christoph sprang verblüfft von seiner Bank auf. «Vater Achatius!»
37. KAPITEL
«Also ich muss schon sagen, Frau Marysa, selten habe ich eine glücklichere Braut als Euch gesehen.» Mit einem herzlichen Lächeln hob Rochus van Oenne seinen Becher und prostete Marysa zu.
Nach der kurzen Zeremonie vor der Kirchenpforte St. Foillans durch Vater Achatius und der anschließenden Messe, die der Gemeindepfarrer, Vater Ignatius, zelebriert hatte, war die Hochzeitsgesellschaft in das Gasthaus Zum goldenen Ochsen gezogen, wo nun bei Wein und trotz der Einschränkungen durch die Fastenzeit mit üppigen Speisen ausgelassen gefeiert wurde. «Ein wenig wundere ich mich, dass Ihr ausgerechnet ihn », van Oenne warf einen kurzen Blick zu Hartwig hinüber, «eingeladen habt.»
Marysa zuckte mit den Schultern. «Wozu sollen wir uns mit einer Feindschaft innerhalb der Familie belasten? Es schien mir angemessen, ihm durch die Einladung ein Friedensangebot zukommen zu lassen.
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