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Das silberne Zeichen (German Edition)

Das silberne Zeichen (German Edition)

Titel: Das silberne Zeichen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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«Meine Pflicht», antwortete er. «Nur meine Christenpflicht, Frau Marysa. Das ketzerische Geschmeiß muss ausgerottet werden. Der Inquisitor würde es Euch bestimmt bestätigen, wenn er hier wäre.»
    Marysa zwang sich, nicht noch einmal zur Treppe zu blicken. «Du … bist doch nach Frankfurt geritten, nicht wahr?», fragte sie stattdessen. «Hast du den Boten etwa auch umgebracht?»
    «Natürlich.» Leynhard zuckte nur mit den Schultern.
    «Und überfallen wurdest du auch nicht», schloss Marysa.
    Leynhard lachte auf. «Nein, das habe ich nur gesagt, damit Ihr keinen Verdacht schöpft.» Unvermittelt trat er einen Schritt näher und hob den Dolch ein Stückchen an. «Das Kleid!»
    Marysa wich einen Schritt zurück, die Augen wieder fest auf die Klinge des Dolches gerichtet. Unsicher, weil noch immer alles ruhig blieb – warum kam nur niemand, um ihr zu helfen? –, nestelte sie an der Verschnürung ihres Kleides herum.
    «Wird’s bald?», fuhr Leynhard sie wütend an. Sein Blick hing gierig an ihrem Ausschnitt.
    Um ihn nicht weiter zu verärgern, zog Marysa das Kleid rasch über den Kopf und presste es dann schamhaft gegen ihren Leib. Sie trug jetzt nur noch ein dünnes, wadenlanges Leinenhemd. Ein schrecklicher Gedanke fuhr ihr durch den Kopf: Was würde geschehen, wenn Leynhard sie zwang, auch noch dieses letzte Kleidungsstück abzulegen? Er würde sofort erkennen, dass sie schwanger war. Wie würde er darauf reagieren?
    «Fort damit!» Leynhard deutete auf das Kleid. Sein Blick war nun nicht mehr nur voller bösartiger Gier – er glich dem eines Wahnsinnigen.
    Marysa ließ ihr Kleid zu Boden fallen. Ängstlich wich sie einen weiteren Schritt zurück. Leynhard folgte ihr, wollte nach ihrem Arm greifen. Im gleichen Moment sah Marysa aus den Augenwinkeln wieder eine Bewegung. Ein Schatten huschte lautlos die Treppe herab.
    «Du gehörst mir», sagte Leynhard mit leicht schwankender Stimme. Seine Hand schloss sich um Marysas Arm.
    Sie schrie auf und stieß ihn mit aller Kraft, die ihr die Angst verlieh, von sich. Leynhard brüllte vor Zorn auf wie ein Tier, wollte sich sogleich wieder auf sie stürzen. Im nächsten Moment schlug etwas mit einem dumpfen Geräusch gegen seinen Hinterkopf; Leynhard brach zusammen.
    «Irrtum», sagte Jacobus und warf den schweren Stock, mit dem er Leynhard getroffen hatte, achtlos beiseite. « Du gehörst nun uns . Oder vielmehr dem Scharfrichter.» Auf seinen Wink hin stürmten zwei Stadtsoldaten in den Raum und trugen Leynhard wie einen nassen Sack davon.
    «Hier, Frau Marysa, bedeckt Euch.» Zuvorkommend hob Jacobus das Kleid auf und reichte es ihr. Mit klopfendem Herzen nahm sie es und zog es umständlich über den Kopf.
    «Lasst mich los, ihr verdammten Schweinehunde!», rief in diesem Moment Christoph. «Habt ihr nicht gehört, ihr sollt mich loslassen!»
    «So lasst ihn doch endlich», sagte Jacobus in beinahe heiterem Ton. Die beiden Dominikaner, die Christoph bisher eisern zurückgehalten hatten, lockerten ihren Griff. Rüde stieß er sie beiseite und stürzte die Treppe hinab. Noch ehe Marysa wusste, wie ihr geschah, riss er sie in seine Arme und presste sie fest an sich.

36. KAPITEL
    «Eure Vorgehensweise, Herr Inquisitor, entspricht nicht unbedingt unseren Vorstellungen von Sicherheit», grollte Wolter Volmer am späten Nachmittag. Die Schöffen hatten sich in der Acht versammelt, ebenso eine Abordnung des Marienstifts sowie Marysa mit ihren Eltern. Christoph saß seitlich von den Domherren auf der Bank, die bei Prozessen für den Angeklagten benutzt wurde. «Als Ihr Leynhard gefunden hattet», fuhr der Schöffe fort, «hätte Ihr ihn sogleich festnehmen müssen und nicht erst abwarten und noch dazu unseren Gefangenen aus dem Grashaus entführen. Das war nicht notwendig und dazu eine Frechheit, wenn man bedenkt, was ihm nach wie vor vorgeworfen wird. Was, wenn er Euch entkommen wäre?» Volmer blickte Christoph missbilligend an. «Wozu überhaupt diese Posse? Diente sie dazu, dem Rat Eure Macht zu demonstrieren? Ihr habt uns vor den Bürgern Aachens lächerlich gemacht, Jacobus von Moers.»
    «Zunächst einmal», antwortete an Jacobus’ Stelle Rochus van Oenne, «wurde die Anordnung zur Prozession nicht von Bruder Jacobus gegeben. Das wäre auch gar nicht möglich gewesen, denn er gehört unserem Stift ja nicht an. Vielmehr gab ich die Order, dem Asylrecht der Mutter Kirche durch den Bitt- und Opfergang Ausdruck zu verleihen.»
    «Na gut, dann wart eben Ihr es, der

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