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Das spanische Medaillon

Das spanische Medaillon

Titel: Das spanische Medaillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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– elf? Elf Uhr, gemeinsam. Bis in den Graben oben hier, am Weg.«
    »Warum bist du nicht einfach erfroren, du stammelndes Scheusal?«, rief es im Hintergrund.
    »Der Kutscher Hillse gibt an, sie um die fragliche Stunde allein am Weg zurückgelassen zu haben. Ist das zutreffend?«
    Da er beharrlich schlotterte und schwieg, fühlte sich sein erbostes Weib bemüßigt, helfend einzuspringen.
    »Wenn er das Maul aufbekäme, könnte er es doch nur bejahen! Vorhin war sein Saufkumpan da, um die lumpige Jacke zu holen, die er ihm untergeschoben. Ach, warum hat er ihn nicht einfach nackt in der zugefrorenen Gosse liegen lassen? Dann bliebe mir diese Schmach jetzt erspart!«
    Mein Branntweinkonsum verschaffte mir ein leicht taubes Gefühl.
    »Haben Sie, nachdem Ihr Gefährte fort war, noch etwas gehört oder gesehen?«, fragte von Schlechtendal den Angstgeplagten.
    »Gefährte ... pah!«, kam es von hinten.
    »Erinnern Sie sich noch an irgendetwas?«
    Der Fährmann schlotterte regelrecht, dabei strahlte die Sonne jetzt überaus kraftvoll auf uns herab. Die Kälte konnte dies kaum bewirken, daher nahm ich an, dass es die Furcht vor seiner unduldsamen Hälfte war, die Gomms diese körperlichen Symptome zeigen ließ. Da begann er zu sprechen. Ich glaubte erst zu halluzinieren. Er, der noch eben keinen halben Meter geradeaus sprechen konnte, schien plötzlich durch die Macht der Erinnerung stocknüchtern geworden.
    »Das Medaillon!«
    Wir sahen einander sprachlos an.
    »Welches Medaillon?«, fragte ich.
    »Das Medaillon des schwarzen Reiters! Das Medaillon, das mir so vertraut war, als sei es mein eigenes.«
    Seine Augen rollten wild hin und her, als suchte er sich zu vergewissern, dass ihn der, von dem er sprach, nicht hörte. Doch sein Weib hatte ihn gehört und keifte:
    »Hättest du deinen verdammten Anhänger mal besser verwahrt, als ihn zu verlieren!«
    Er wehrte ab, als ich ihn fragend ansah.
    »Ich hab’ mein einziges Familienerbstück einmal bei Sturm am Wasser verloren. Es liegt irgendwo da draußen. Wenn der Strom trockenfällt, dann hole ich es heraus!«
    »Beschreiben Sie den Reiter!«, forderte von Schlechtendal und sein Adlatus von Helmbrecht wartete mit tropfender Feder.
    »Schwarz, auf einem schwarzen Pferd, mit schwarzem Tschako! Groß und breitschultrig. Über der Schulter ein Beutel ...«
    »Schwarz, nehme ich an«, vermutete ich halb im Scherz.
    »Nein, weiß, mit roten Flecken ...«
    »Wie groß, wie alt, Haar- und Augenfarbe? Stimme? Statur?«
    Der Ärmste zuckte bei jeder Frage wie bei einem Nadelstich.
    »So groß wie ich selbst, so alt wie ich selbst, mit meinen Augen und meinem Haar. Kräftig wie ich selbst ...«
    Er war käseweiß geworden.
    »Hast dich wohl selbst in einem besseren Leben geträumt, mit einem frischen Wildbret im Sack«, sagte die Frau, die mit offenem Mund zugehört, dann entgeistert aufgeseufzt und angewidert ihren Blondschopf geschüttelt hatte. Ihre großen Brüste wippten dazu.
    »Was ist mit dem Medaillon?«, fragte ich.
    »Ich habe es mir nicht eingebildet! Er ritt langsam seines Weges, wie ein Totengespenst auf mitternächtlicher Straße. Dann sah ich, dass ich es selbst war! Die Erscheinung schien dies auch zu bemerken und kam auf mich zu. Ich hatte die Augen sperrangelweit aufgerissen und starrte meinem Ebenbild entgegen: Wie ähnlich wir uns waren. Nur feiner gekleidet er, nur besser rasiert ...«
    »Kein Kunststück! Wann wirst du dich das nächste Mal balbieren? Du wandelnder Schandfleck!«, raunte die Frau, während sie mit einem Beil einem achtbaren, hart gefrorenen Zander den Kopf abschlug.
    »... und um den Hals dieses Medaillon! Verdammt, wie genau kenne ich seinen Rand! Weiß und schwarz, im Oval, mit gezacktem Gold. Es hing an einer feinen goldenen Kette. Darauf zu sehen war ein Mann mit einem Heiligenschein und einem Zepter, in einem Hermelinmantel mit goldenem Hemd, über ihm die Wolken.« Er nahm Papier und Stift, um die er gebeten, und zeichnete. 1

     
    »Wie konnten Sie das so genau sehen? Es war doch stockfinster?«, fragte von Schlechtendal.
    »Und der Mann war weit entfernt«, ergänzte ich.
    Gomms zitterte und sagte ganz leise:
    »Nein, es war gestern Nacht fast taghell, heuer haben wir ja Vollmond! Auch war der Reiter abgestiegen und hatte sich bei mir niedergehockt. Ich sah also alles ganz deutlich vor mir: Einen Totenkopf mit Knochenkreuz hatte er am Tschako, der schwarze Braunschweiger! Hat mich angeschaut und gegrinst, dass die Backen knisterten.

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