Das Spiel
Hier wird die Wurst gemacht, und so wird Amerikas Bankkonto tatsächlich geplündert. Von vier Mitarbeitern, die um einen hell erleuchteten Konferenztisch herumsitzen, ohne daß auch nur ein einziger Kongreßabgeordneter sich sehen ließe. Hier arbeiten eure Steuergelder. Wie Harris immer sagt: Das wahre Schattenkabinett stellen die Mitarbeiter.
Mein Pager vibriert schon wieder. Er liegt auf meinem Schoß. Harris Botschaft ist kurz und bündig. Panik!
Ich werfe einen Blick auf das Fernsehgerät. Einhun-dertzweiundsiebzig Jas, vierundsechzig Neins.
Vierundsechzig? Das glaube ich nicht! Sie haben schon mehr als die Hälfte zusammen.
Wie? tippe ich zurück.
Vielleicht haben sie die Stimmen, antwortet Harris beinahe umgehend.
Das kann nicht sein, sende ich zurück.
In den folgenden zwei Minuten hält uns Trish einen Vortrag darüber, warum sieben Millionen Dollar für den Erhalt des Yellowstone National Park zuviel sind. Ich kriege kaum ein Wort mit. Auf C-SPAN steigen die Neins von vierundsechzig auf einundachtzig. Das ist unmöglich!
»... pflichten Sie mir da nicht bei, Matthew?« fragt Trish.
Ich habe nur Augen und Ohren für C-SPAN.
»Matthew!« ruft Trish. »Sind Sie noch bei uns?«
»Was?« Ich drehe mich endlich zu ihr um.
Trish verfolgt meinen Blick, wendet sich um und bemerkt das Fernsehgerät. »Das ist so fesselnd?« fragt sie. »Eine lahme Abstimmung über Baseball?«
Sie kapiert es nicht. Sicher, es ist nur eine Abstimmung über Baseball, aber es ist nicht irgendeine Abstimmung. Ursprünglich geht sie auf das Jahr 1922 zurück, als der Oberste Gerichtshof verfügte, Baseball wäre ein Sport, kein Geschäft, und könnte daher eine besondere Befreiung von Antitrustvorschriften in Anspruch nehmen. Football, Basketball, der ganze restliche Sport muß sich dem unterwerfen, aber Baseball, so der Oberste Gerichtshof, wäre etwas Besonderes. Heute versucht der Kongreß, diese Befreiung noch zu stützen, indem er den Besitzern der Teams mehr Macht darüber gibt, wie groß die Liga werden kann. Für den Kongreß ist das eine sehr einfache Abstimmung. Wenn man aus einem Staat kommt, der ein Baseball-Team hat, stimmt man dafür. Selbst die Republikaner aus dem ländlichen New York wagen es nicht, gegen die Yankees zu stimmen. Kommt man dagegen aus einem Staat ohne ein Team oder aus einem Bezirk, der gern eines hätte, wie Charlotte oder Jacksonville, stimmt man dagegen.
Falls man einigermaßen kopfrechnen kann und die vielen Gefallen addiert, welche die mächtigen Besitzer den Politikern tun, ergibt das eine klare Mehrheit für die Gesetzesvorlage und höchstens einhundert Stimmen dagegen, einhundertfünf, wenn es hoch kommt. Doch im Moment glaubt jemand im Capitol, sie könnten 110 Neins zusammenklauben. Niemals, haben Harris und ich entschieden. Deshalb haben wir dagegen gewettet.
»Sind wir bereit, einige große Batzen anzugreifen?« erkundigt sich Trish. Sie arbeitet sich immer noch konzentriert durch die Konferenzliste. In den nächsten zehn Minuten genehmigen wir eine Reparatur des Dammes auf Ellis Island, gewähren zweieinhalb Millionen, um die Treppe des Jefferson Memorials instand zu setzen, und dreizehn Millionen, um eine bauliche Erneuerung des Fahrradweges und des Erholungsgebietes um die Golden Gate Bridge durchzuführen. Das läuft ohne viel Gegenwehr ab. Es ist wie beim Baseball: Niemand stimmt gegen die guten Sachen.
Mein Pager tanzt schon wieder in meiner Tasche. Wie zuvor lese ich ihn unter dem Tisch. 97, simst mir Harris.
Ich kann kaum glauben, daß sie so weit gekommen sind. Genau das macht den Spaß an dem Spiel aus.
Das Spiel selbst ist vor Jahren aus einem Streich entstanden, hat mir Harris erklärt, als er mich eingeführt hat. Angeblich hat sich eine untergeordnete Senatsmitarbeiterin beschwert, weil sie die Wäsche eines Senators aus der Reinigung holen sollte. Damit sie sich besser fühlte, hat ihr Freund im Büro die Worte chemische Reinigung in einen Entwurf für die nächste Rede des Senators eingeschmuggelt.... braucht der Umweltschutz diese Methoden, sowohl physikalische als auch chemische. Reinigung der Umwelt sollte das oberste Ziel sein ... Es war eigentlich nur als Witz gedacht und sollte herausgestrichen werden, bevor der Senator die Rede hielt. Dann hat jemand aus dem Büro den Mann herausgefordert, die Formulierung im Text zu lassen.
»Das mache ich«, hatte der Mitarbeiter gedroht.
»Nein, das traust du dich nicht«, schoß sein Freund
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