Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition)
voraussichtlich höher als der Wert seines Besitzes. Acht Monate später wurde sein Besitz versteigert (hauptsächlich seine Bibliothek und die Gerätschaften für das Linsenschleifen), und in der Tat war der Erlös niedriger als der Betrag, den er schuldete. Um nicht die Schulden zu erben, widerrief Rebecca rechtskräftig alle Forderungen aus der Erbmasse und verschwand abermals aus der Geschichte. Bentos geringe Außenstände wurden vom Schwager seines Freundes Simon de Vries beglichen. (Simon, der zehn Jahre zuvor, 1667, gestorben war, hatte Bento angeboten, ihm seinen gesamten Besitz zu hinterlassen. Bento hatte abgelehnt und angemerkt, dass es Simons Familie gegenüber unfair wäre und Geld ihn darüber hinaus nur ablenken würde. Simons Familie bot Bento eine Jahresapanage in Höhe von fünfhundert Gulden an. Auch dies lehnte Spinoza ab und erklärte, dass es mehr sei, als er brauche. Schließlich war er mit einer kleinen Apanage von dreihundert Gulden einverstanden gewesen.)
Die Versteigerung von Simons Nachlass wurde von W. van den Hove, einem gewissenhaften Notar, geleitet, der ein detailliertes Inventar der einhundertneunundfünfzig Bücher in Spinozas Bibliothek mit genauen Informationen hinsichtlich des Erscheinungsjahres, des Verlages und des Formates jedes Werkes hinterließ. Im Jahre 1900 versuchte George Rosenthal, ein holländischer Geschäftsmann, die Büchersammlung des Philosophen anhand der Liste des Notars für das Spinoza-Haus in Rijnsburg wieder zusammenzustellen. Größte Sorgfalt wurde darauf verwandt, die gleichen Ausgaben mit den gleichen Daten und Erscheinungsorten aufzukaufen, aber natürlich waren es nicht dieselben Bücher, die Spinoza in Händen gehalten hatte. Schließlich gelang es George Rosenthal, hundertzehn der hundertneunundfünfzig Bücher aus Spinozas ursprünglicher Sammlung zusammenzustellen. Darüber hinaus spendete er weitere fünfunddreißig Bücher aus der Zeit vor dem siebzehnten Jahrhundert sowie Werke über Spinozas Leben und Philosophie.
Spinoza fand seine letzte Ruhestätte unter den Steinplatten der Nieuwe Kerk, was viele zu der Vermutung veranlasste, er sei in seinen letzten Jahren noch zum Christentum konvertiert. Dem steht allerdings Spinozas Bemerkung zu der von einigen Kirchen vertretenen Ansicht entgegen: »… daß Gott nämlich die Menschennatur angenommen hätte, … scheint mir … nicht weniger widersinnig zu sein, als wenn mir jemand sagte, der Kreis habe die Natur des Quadrats angenommen«, und daher ist eine Konversion höchst unwahrscheinlich. Im liberalen Holland des siebzehnten Jahrhunderts war die Beerdigung von Nichtprotestanten innerhalb der Kirchenmauern nicht unüblich. Selbst Katholiken, die im protestantischen Holland viel unbeliebter als die Juden waren, wurden gelegentlich innerhalb der Kirchenmauern beerdigt. (Im folgenden Jahrhundert änderte sich die Politik, und es wurden nur noch sehr Reiche und Berühmte dort bestattet.) Wie damals üblich, wurde Spinozas Grabstätte auf eine begrenzte Anzahl von Jahren gemietet, und als kein Geld mehr für deren Unterhalt zur Verfügung stand, vermutlich nach zehn Jahren, wurden seine Gebeine ausgegraben und in dem halben Morgen großen Friedhof neben der Kirche verstreut.
Im Lauf der Jahre erhoben die Niederlande Anspruch auf ihn, und er wurde so prominent, dass sein Portrait bis zur Einführung des Euro im Jahr 2002 die holländische Tausend-Gulden-Banknote zierte. Wie alle Portraits von Spinoza beruhte das Portrait auf der Banknote auf dürftigen, schriftlichen Beschreibungen; zu Spinozas Lebzeiten entstanden keine Bildnisse von ihm.
1927 wurde auf dem Friedhof der Nieuwe Kerk eine Tafel zur Erinnerung an den zweihundertfünfzigsten Todestag Spinozas enthüllt. Einige seiner jüdischen Verehrer aus Palästina, die Baruch Spinoza gern wieder als Juden zurückgewinnen wollten, wirkten an der Gedenkveranstaltung mit. Die lateinische Inschrift besagt: »Diese Erde birgt die Gebeine Benedictus de Spinozas, die einst in der neuen Kirche beigesetzt waren.«
In Palästina hielt ungefähr zur selben Zeit, zu der diese Tafel enthüllt wurde, Joseph Klausner, der bekannte Historiker und spätere Kandidat der ersten Präsidentschaftswahl in Israel, eine Rede an der Hebräischen Universität, in welcher er erklärte, dass das jüdische Volk mit der Exkommunikation Spinozas eine schreckliche Sünde begangen habe. Er verlangte, dass die Vorstellung, Spinoza sei ein Ketzer gewesen, zurückgenommen werde.
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