Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition)
von unseren unterschiedlichen Erfahrungen mit Frauen her. Ich hatte eine sehr liebevolle Beziehung zu meiner Mutter und jetzt zu meiner Frau und Tochter, und meine Vermutung ist, dass Ihre Einstellung zu Frauen aufgrund Ihrer früheren Kontakte mit ihnen notwendigerweise negativ ist. So viel Sie mir erzählten, sind Ihre Erfahrungen eher freudlos: Ihre Mutter starb, als Sie ein kleines Kind waren, und Ihre Mütter, die folgten – Ihre ältere Schwester und dann Ihre Stiefmutter –, starben ebenfalls. Die ganze Gemeinde weiß von der barschen Zurückweisung durch Ihre verbliebene Schwester Rebecca. Ich hörte, dass sie eine Klage gegen den letzten Willen Ihres Vaters eingereicht hat, damit Sie nicht seinen Besitz erben. Und dann gibt es noch Clara Maria, die einzige Frau, die Sie liebten, und diese verletzte Sie dadurch, dass sie einen anderen wählte. Abgesehen von ihr hörte ich von Ihnen von keinem einzigen positiven Erlebnis mit einer Frau.«
Bento blieb stumm, nickte einige Male, während er Francos Worte langsam verdaute, und sagte dann: »Nun zu den anderen Themen. Zunächst einmal gibt es etwas, das ich Ihnen noch nicht gesagt habe – und zwar, wie sehr ich Ihren Mut bewundere, Ihre Kongregation offen zur Mäßigung ermahnt zu haben. Ihre öffentliche Opposition zu Rabbi Aboab gründete auf dem, was ich ›adäquate Ideen‹ nannte – Ideen, die eher von der Vernunft als von den Leidenschaften getrieben sind. Auch würde ich gern mehr über Ihre Vision des neuen Judentums erfahren, das Sie zu schaffen hoffen. Vorhin habe ich vielleicht von dieser Diskussion abgelenkt.«
Beide wussten, dass ihnen die Zeit davonlief, und Franco sprach schnell: »Ich hoffe, eine andere Art von Judentum zu schaffen, die auf unserer Liebe zueinander und unserer gemeinsamen Tradition gründet. Ich beabsichtige, Gottesdienste abzuhalten, in denen das Übernatürliche keinen Raum findet und die auf Menschlichkeit gründen, die uns gemeinsam ist, wobei ich diejenigen Weisheiten aus der Thora und dem Talmud verwenden werde, die zu einem liebevollen und moralischen Leben führen. Und ja, wir werden die jüdischen Gesetze befolgen, aber im Dienste einer Verbindung und eines moralischen Lebens und nicht , weil es eine göttliche Anordnung ist. Und durchdrungen wird alles vom Geist meines Freundes Baruch Spinoza sein. Wenn ich für die Zukunft plane, stelle ich mir Sie manchmal als einen Vater vor. Mein Traum ist es, eine Synagoge zu errichten, in die Sie Ihren eigenen Sohn schicken würden.«
Bento wischte eine Träne fort, die über seine Wange rollte. »Ja, wir sind verwandte Seelen, wenn Sie glauben, dass wir gerade so viel Zeremonie zulassen sollten, um an den Teil unserer Natur zu appellieren, der sie immer noch braucht, andererseits aber nicht so viel, dass sie uns versklavt.«
»Genau das ist auch meine Ansicht. Und ist es nicht eine Ironie, dass über uns beide ein Cherem verhängt wird, obwohl Sie das Judentum von außen zu verändern suchen und ich von innen? Bei Ihnen wurde er schon verhängt, und bei mir steht er zweifellos kurz bevor.«
»Ich stimme dem zweiten Teil Ihrer Ausführungen zu – die Ironie, dass wir beide unter einem Cherem stehen oder stehen werden –, aber damit Sie mich nicht falsch verstehen, möchte ich noch einmal sagen, dass es nicht meine Absicht ist, das Judentum zu verändern. Es ist meine Hoffnung, dass eine lebenswichtige Hinwendung zur Vernunft alle Religionen, und dazu zähle ich auch das Judentum, ersetzen sollte.« Bento warf einen Blick auf die Uhr. »Du meine Güte, es ist Zeit, Franco, fast zwei Uhr, und die Trekschuit wird bald eintreffen.«
Während sie zum Anlegeplatz der Trekschuit schlenderten, sagte Franco: »Ich habe noch ein Letztes, was ich Ihnen sagen muss, dieses Buch, das Sie über Ihre Kritik an der Bibel schreiben wollen …?«
»Ja?«
»Ich bewundere Sie dafür, dass Sie es schreiben, aber seien Sie bitte vorsichtig, mein Freund. Setzen Sie Ihren Namen nicht unter dieses Buch. Nicht jetzt, nicht zu unseren Lebzeiten.«
Franco ging an Bord. Der Bootsmann löste die Leinen, die Pferde zerrten an ihren Seilen, und die Trekschuit legte ab. Bento sah dem Kahn noch lange hinterher. Je kleiner das Boot wurde, das sich zum Horizont entfernte, desto bedrohlicher lastete der Cherem auf ihm. Als er schließlich von Franco keine Spur mehr erkennen konnte, trat Bento langsam von der Anlegestelle zurück und begab sich wieder in die Arme der Einsamkeit.
Epilog
Bento beendete
Weitere Kostenlose Bücher