Das Stonehenge-Monstrum
Wir wußten, daß sie kommen würden, aber wir wußten nicht, wann es soweit war. Deshalb warteten wir.
Wir standen eingeklemmt in eine schmale Nische, deren Rückseite von einer Haustür begrenzt wurde. Im Haus selbst sollten angeblich nur mehr Ratten leben, keine Menschen, doch den Aussagen war nicht unbedingt zu trauen.
Diese Nacht gehörte zu denen, die Suko und ich lieber woanders verbracht hätten als in diesem Loch. Uns hatte dieses Backofen-Gefühl überfallen. Es war eng, warm und schwül, und die Gerüche konnten wir auch vergessen. Sie drangen aus irgendwelchen Gullys zu uns hoch. Es stank nach altem Schmutzwasser aus den tiefsten Tiefen der Kanalisation, und wir beide hatten es aufgegeben, uns den Schweiß von den Gesichtern zu wischen.
Kamen sie? Kamen sie nicht?
Das war für uns in dieser Nacht die Frage aller Fragen. Man hatte uns von einer unheimlichen Prozession berichtet, die angeblich zu Ehren eines götzenhaften Dämons abgehalten wurde. Der Informant galt als vertrauenswürdig, das hatten uns Kollegen berichtet, die ihn besser kannten, doch bisher hatten wir davon nichts bemerkt. Vor uns lag eine leere Straße. Für uns begann sie im Nichts und schien auch im Nichts zu endeh. Diese Straße war einfach da. Wir kannten nicht einmal den Namen, denn ein Hinweisschild darauf hatten wir ebenfalls nicht gesehen.
Es war eine düstere Gegend. Der Hafen war nicht weit. Ich wußte nicht, welche Menschen hier lebten, das war wohl niemandem bekannt, denn hier wechselten die Bewohner häufig.
Hier war alles grau, verfallen, irgendwo in der Mitte zwischen Wollen und Nichtwollen erstickt. Zu Thatcher-Zeiten hatte dieses Gebiet zu den Flecken gehört, die abgerissen werden sollten, um daraus ein völlig neues Wohngebiet zu schaffen. Eine Insel für die Reichen. Das hatte aus verschiedenen Gründen nicht geklappt. Vor allen Dingen aus Geldmangel. Investoren hatten sich zurückgezogen, denn die Vorverkäufe für einzelne Wohneinheiten waren kaum angelaufen. Und so hatte man das Gebiet schließlich aufgegeben und verrotten lassen. Das im wahrsten Sinne des Wortes, denn hier kümmerte sich niemand um nichts. Was in den Häusern noch zu verwerten gewesen war, von der Steckdose bis zur Klobrille, hatten Menschen herausgerissen. Und was sie nicht brauchen oder nicht abtransportieren konnten, hatten sie häufig beschädigt oder zertrümmert.
Es herrschte ein tiefer Luftdruck. Bei diesen Bedingungen stiegen mir die widerlichen Gerüche noch intensiver und bedrückender in die Nase. Ich kam mir vor, als würde ich mit beiden Beinen in einer großen Kloake stehen.
Suko schaute auf die Uhr. Zum erstenmal, denn der Nervösere von uns beiden war ich. Aber auch bei ihm liefen die Zeiger nicht schneller, und bis Mitternacht waren es noch gut zwanzig Minuten. Als er mein Grinsen sah, hob er die Schultern. »Ich weiß nicht, John, aber meine Erfahrung lehrt mich, daß um Mitternacht etwas geschehen könnte.«
»Meinst du?«
»Ich hoffe es zumindest.«
»Dann hoffe mal weiter.«
Wir standen schon relativ lange hier. Am liebsten hätte ich mich gesetzt, aber das wollte ich auch nicht, denn auf dem Boden lag einfach zuviel Dreck. Ebenso schmutzig war die Tür hinter uns, über deren Existenz ich mich sowieso wunderte, normalerweise wurden die Türen gern gestohlen.
Suko drehte sich in der Nische um. Er streckte den Arm vor und legte die Hand gegen die Tür. Dem leichten Druck hielt die Tür nicht stand. Erst knirschte und schabte sie, dann fing sie an zu zittern, schließlich kippte sie zurück. Hätte Suko nicht schnell reagiert und sie abgefangen, wäre sie mit einem lauten Krach auf den Boden gefallen, was uns beiden überhaupt nicht gefallen konnte.
Ich drehte mich um. »Was hast du vor, willst du das Haus hier abbrechen?«
Suko stand noch immer geduckt. Er schüttelte den Kopf. »Nein, auf keinen Fall, obwohl es darum nicht schade wäre.« Er richtete sich wieder auf. »Kennst du das Gefühl, das man hat, wenn man glaubt, nicht mehr allein zu sein?«
»Klar, ich bin doch bei dir.«
»Wie schön. Aber andere auch. Ich glaube einfach, daß sich im Haus jemand versteckt hält.«
»Einer?«
»Es können auch mehrere sein.«
»Du willst dich umschauen?«
»Ja.« Suko hatte bereits seine Lampe hervorgeholt und leuchtete in den Flur. Was der Lichtschein enthüllte, war mehr als traurig. Zunächst einmal überwog der Dreck. Da hatten sich Staub, Abfälle und Schmier zu einer Mischung vereinigt, über die ich nur den
Weitere Kostenlose Bücher