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Das Syndikat

Das Syndikat

Titel: Das Syndikat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fran Ray
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sie ansprechen, doch sie tat so, als bemerkte sie es nicht. Nein, sie konnte jetzt nicht über ihre Arbeit diskutieren.
    »Siehst du«, sagte Michael, »ich hab recht. Und trink nicht so viel. Alkohol verträgt sich nicht mit deinen Medikamenten.« Er zuckte resigniert und gekränkt mit den Schultern. »Ach ... Soll ich dieses ...«, er zeigte auf den Preis in ihrer Hand, »... dieses Ding mit nach Hause nehmen?«
    »Nein.« Sie sagte ihm nicht, dass sie sich daran festhielt.
    »Wie du willst.« Mehr sagte er nicht. Dann ließ er sie stehen.
    Sie sah ihm nach, wie er einfach ging.
    Davon hätte sie eben im Saal auch sprechen können. Wie ihre Arbeit ihre Ehe zerstörte. Aber vielleicht stimmte das ja gar nicht. Vielleicht hatten sie nie zusammengepasst. Vielleicht hatten sie sich beide von Äußerlichkeiten täuschen lassen. Er, der von ihrem Wagemut und ihrer Leidenschaft fasziniert war – sie, die genoss, dass er sie bewunderte, sie umsorgte und ihrem vorher so unsteten Leben Halt gab.
    Ohne die Blicke der Menschen zu erwidern, eilte sie zum Ausgang. Eisig kalte Luft sprang sie aus der Dunkelheit an. Sie zog die Schultern hoch und stapfte über den von schmutzigen Schneeinseln bedeckten Bürgersteig die Rue Auguste Orts hinunter. Die Kälte legte sich wie eine Messerklinge auf ihre Luftröhre, ihre Augen tränten, und ihre Narbe tat weh. Ein Wagen fuhr vorbei, schmutziges Eiswasser spritzte auf ihre Stiefel. Egal. Sie spürte, wie Leben in sie zurückkehrte.

5
    Metz, Frankreich
    Neblig, feucht und kalt war die Nacht herangekrochen, hatte das letzte schwache Sonnenlicht verschluckt, seine Wärme erstickt, und nun herrschte sie über die Menschen und Wesen, bis zum Morgengrauen. Bedrohlich nah war das tagsüber harmlose Wäldchen, das sich hinter der Reihenhaussiedlung erstreckte, herangerückt, hatte seinen kalten Schatten über die Einfamilienhäuser gelegt, in denen sich Eltern und Kinder mit ihren Hamstern, Hunden und Spielsachen verbarrikadierten und auf den nächsten Morgen warteten. So jedenfalls empfand es Thierry Traessart, wie er da im Garten seines Hauses stand, die Hände geballt in den Taschen der Adidas-Trainingshose. Und er konnte nichts dagegen tun! Nichts gegen die Nacht, die sich gewaltsam die Herrschaft sicherte, und nichts gegen dieses andere Dunkle in ihm. Und wenn es nur in seinem Kopf war? Mit beiden Händen fuhr er sich durch die kurz geschorenen Haare, rieb über den Kopf, als könnte er die Gedanken wieder an ihren richtigen Ort schieben, Ordnung in seinem Gehirn schaffen. Und wenn er es sich nur einbildete? Wenn er ... Er gab auf, denn er wusste, es waren immer wieder dieselben trügerischen Hoffnungen. Die Wirklichkeit war hart und deutlich, und sie war schwarz auf weiß zu lesen.
    »Thierry, willst du nicht eine Jacke ...?«, kam es von drinnen.
    Marie. Sie versteht das alles nicht, wie sollte sie auch? Auch er verstand es ja nicht. Wusste nur, dass irgendwas nicht stimmte mit ihm und dass es mit Afghanistan zu tun haben musste.
    Doch da war dieser Zeitungsartikel. Hundert Mal hatte er ihn schon gelesen. Rausgeschnitten aus der Tageszeitung von vorvorgestern. Zigaretten und die Tageszeitung. Bei Gérard in seinem Laden mit den nikotingelben Wänden gekauft. Im Café hatte er die Zeitung durchgeblättert. Im Café, weil er verflucht noch mal nicht nach Hause wollte. Nicht in Maries vorwurfsvolles Gesicht sehen und nicht mit Schuldgefühlen kämpfen. Die hatte er sowieso schon.
    Thierry spannte alle Muskeln an in seinem hart trainierten Körper, aber es half nichts, das Böse kämpfte sich nach oben, machte sich breit, durchströmte und vergiftete ihn ...
    Das war ja nicht sein erster Einsatz gewesen, er kannte Wut und Rache, blindwütige Wut auch, wenn vor ihm ein Kamerad fiel, so wie Yves, der zum letzten Mal den Job machen wollte, nur noch ein Mal Afghanistan, weißt du, und dann Schluss. Ich hör auf. Such mir was anderes. Will meine Familie um mich haben. Will das Töten vergessen. Als ob man das jemals vergessen könnte! In die unterste Schublade schieben, ganz nach hinten, aber nicht vergessen.
    Aber dieses Mal war es anders gewesen. Da war mehr als diese Wut, viel, viel mehr ... Gewalt und ... Rausch ... Blutrausch ...
    Thierry rieb sich übers Knie. Diese verfluchte Kälte machte alles noch schlimmer.
    Er kann die Kinder nicht mehr ansehen, sie machen ihm Angst, ihre großen Augen, die ihm Fragen stellen, auf die er nichts antworten kann, er weiß nichts mehr, kann sich nicht

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