Das Testament eines Excentrischen
für Bodenerzeugnisse, sowie der Mittelpunkt einer regen Metallindustrie und Kohlengewinnung.
Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, daß von hier aus Schienenstränge nach allen Richtungen ausstrahlen, nach den fruchtbaren Ackerbaubezirken, den Getreidefeldern, auf denen der Maisanbau vorherrscht, den Tabakpflanzungen und Weingärten, die anfänglich wieder verkümmern zu sollen schienen, aber fröhlich gediehen, als die europäischen Reben durch amerikanische ersetzt worden waren, nach den üppig grünen Ebenen und den Waldungen mit schönen Baumarten, wie Akazien, Zirbelkiefern, Zucker-und rothem Ahorn, Schwarzpappeln und Platanen mit einem Stammumfang von dreißig bis vierzig Fuß, die sich fast mit den riesigen Sequoias des Westens messen können. Das von der Natur mit so freigebiger Hand bedachte Ohio, einer der mächtigsten Staaten der Union, sendet darum auch von den fünfunddreißig Senatoren und hundert Abgeordneten seines eigenen gesetzgebenden Körpers zwei Senatoren und fünfundzwanzig Abgeordnete nach dem Bundescongreß.
Hierzu kommt noch eine ausgebreitete Viehzucht und ein lebhafter Viehhandel des Landes, der die Schlachthäuser von Chicago, Omaha und Kansas reichlich versorgt, was die Lebhaftigkeit seiner Märkte erklärt und damit auch die der Ausstellung von Rindern, Schafen und Schweinen, die am 30. dieses Monats abgehalten werden sollte.
An eine solche Kreuz-und Querfahrt, die John Milner nicht wenig aufgehalten hätte, war aber nicht zu denken. Tom Crabbe wird, auch in bedeutenderen Städten, nicht auftreten. Er ist ohne Unfall und Beschwerde nach Art eines Vergnügungsreisenden an der Grenze von Kentucky angekommen. Während seines Aufenthaltes in Texas hat er sich vollkommen erholt und seine frühere Körperkraft wiedererlangt.
Schon war der Ausstellungsplatz voller Besucher. (S. 262.)
Auch unterwegs hat er nichts davon verloren, er ist in »bester Form«, und welch ein Triumph muß es werden, wenn er vor den Leuten in Spring Grove erscheint!
Am nächsten Tage wollte John Milner, doch wohl verstanden, ohne Begleitung seines neugierigen Genossen, einen Gang durch die Stadt machen.
»Tom, sagte er zu diesem, bevor er das Hôtel verließ, ich lasse Dich zurück und Du wirst mich hier erwarten.«
Da es nicht danach aussah, als wollte ihn John Milner wegen seiner Absicht erst befragen, hatte Tom Crabbe darauf nichts zu antworten.
»Du wirst unter keinerlei Vorwand aus dem Zimmer gehen,« setzte John Milner hinzu.
Tom Crabbe wäre jedenfalls ausgegangen, wenn man es von ihm verlangt hätte; jetzt wurde ihm das Gegentheil empfohlen, folglich blieb er, wo er war.
»Sollte ich länger ausbleiben, fügte John Milner noch hinzu, so wird man Dir Dein erstes Frühstück bringen, dann das zweite, hierauf auch den Lunch, später das Mittags-und ebenso das Abendessen. Ich werde das Nöthige bestellen und Du brauchst Dich wegen Deiner Nahrung nicht zu sorgen.«
Nein, sicherlich, Tom Crabbe würde sich deshalb keine Sorge machen und unter diesen Umständen die Rückkehr John Milner’s geduldig abwarten. So schleppte er denn seine gewaltige Masse nach einem großen Rocking-chair, setzte sich hinein und versenkte sich, leicht schaukelnd, in das Nichts seiner Gedanken.
John Milner begab sich nach dem Bureau des Hauses hinunter, bestimmte die Reihenfolge der stoffreichen Speisen, die seinem Begleiter aufgetragen werden sollten, ging durch das Hôtelthor, wendete sich durch die Straßen von Covington dem Ohio zu, überschritt diesen mittelst einer Dampffähre, landete an seinem rechten Ufer und durchwanderte nun, die Hände wie ein Spaziergänger in den Taschen, das Handelsviertel der Stadt.
Hier ging es, wie John Milner sofort wahrnehmen mußte, äußerst lebhaft zu. Kam er an ein paar Leuten vorbei, so bemühte er sich wohl, etwas von dem, was diese sprachen, zu erlauschen. Uebrigens zweifelte er gar nicht daran, daß sich hier alle Welt schon mit dem bevorstehenden Eintreffen des zweiten Partners beschäftigte.
So schlenderte denn John Milner von einer Straße zur anderen zwischen sichtlich erregten Leuten hin und blieb gelegentlich in der Nähe von Ansammlungen solcher stehen, die sich da und dort vor Kaufläden oder auf freien Plätzen gebildet hatten und in lebhaften Erörterungen begriffen waren. Auch Frauen befanden sich darunter, und diese verstehen es, ihren Gedanken lauten Ausdruck zu geben, in Amerika mindestens ebenso gut, wie in sonst einem Lande der Alten Welt.
John Milner
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