Das Testament eines Excentrischen
Dollars ist doch gar zu drollig!
– Ich bitte Sie, lieber Herr, erwiderte Inglis, das ist der Preis für ein Nachtlager im Cheap Hotel.
– Sprechen Sie im Ernst? fragte Frau Titbury erbleichend.
– Ganz im Ernst, Madame.«
In einer Aufwallung gerechten Zornes wollte Herr Titbury hinausdringen.
Da legten sich ihm zwei kräftige Arme auf die Schultern und hielten ihn an der Stelle fest.
Dieser Robert Inglis war ganz einfach einer jener Spitzbuben, die stets auf jede – übrigens nicht seltene – Gelegenheit passen, einen Schurkenstreich auszuführen, und die man in den entlegeneren Gebieten der Union recht häufig antreffen kann. Mehr als einmal waren schon Reisende durch dieses angeblich dreiundvierzigste Kind aus einer Mormonenehe ausgeplündert worden, und dazu liehen ihm Spießgesellen wie die beiden Individuen in dem verwünschten Gasthofe, dem Cheap Hotel, das schon mehr eine Mördergrube, wenigstens eine Börsenfalle war, hilfreiche Hand. Durch das Auftreten Max Real’s auf eine gute Fährte gebracht, hatte er dem Titbury’schen Ehepaare seine Dienste angeboten, und nachdem er erfahren hatte, daß die Leute noch dreitausend Dollars bei sich führten – welche Thorheit, das zu verrathen! – hatte er sie nach dem ganz vereinzelt gelegenen Gasthofe geleitet, wo sie völlig in seiner Gewalt waren.
Herr Titbury sah das ein… leider erst zu spät.
»Mein Herr, sagte er, ich erwarte, daß Sie uns sofort ausgehen lassen werden… ich habe in der Stadt zu thun…
– Nicht vor dem 2. Juni, dem Tage, wo die bewußte Depesche eintreffen soll, antwortete Inglis lächelnd, und heute ist erst der 29. Mai.
– Sie beabsichtigen also, uns fünf Tage lang hier zurückzuhalten?…
– Noch länger und noch mehr als länger, erwiderte der gefällige Gentleman, wenigstens wenn Sie sich nicht um dreitausend Dollars in guten Chicagoer Bankbillets erleichtern.
– Elender!
– Ich bin höflich gegen Sie, bemerkte Inglis, wollen Sie es auch gefälligst gegen mich sein, Herr Blauflagge!
– Doch diese Summe… das ist ja alles, was ich habe…
– Es wird dem reichen Hermann Titbury ein leichtes sein, sich von Chicago so viel Geld kommen zu lassen, wie er braucht. Der Panzerschrank des reichen Hermann Titbury ist wohlgefüllt. Bedenken Sie, mein verehrter Gast, daß Sie die dreitausend Dollars ja bei sich haben und daß ich sie Ihnen einfach aus der Tasche holen könnte. Doch, beim großen Jonathan! – wir sind keine Diebe. Ich rechne Ihnen nur die herkömmlichen Preise des Cheap Hotel an, und Sie werden sich wohl dazu bequemen…
– Nimmermehr!
– Wie es Ihnen beliebt.«
Damit wurde die Thür zugeworfen und die Eheleute sahen sich in dem niedrigen Raume eingesperrt.
Da regnete es nun grimmige Auslassungen über diese verwünschte Reise, über die Drangsalierungen – von den Gefahren gar nicht zu reden – die das Ehepaar verfolgten: nach der Geldstrafe in Calais der Diebstahl in Great Salt Lake City!… Und welches Pech, diesem Banditen Inglis in die Hände gefallen zu sein!
»An dem ganzen Unheil ist der Schlingel, der Max Real, schuld! rief Herr Titbury. Wir wollten ja unseren Namen erst nach der Ankunft bekannt werden lassen, und der Schurke schreit ihn schon auf dem Ogdener Bahnhofe vor allen Leuten aus! Und dann mußte ihn obendrein auch noch dieser Räuber hören! Was beginnen wir nun?
– Ja, wir müssen eben die dreitausend Dollars opfern… sagte Frau Titbury.
– Nun und nimmermehr!
– Hermann!« antwortete darauf nur die rechthaberische und störrische Gattin. Selbst wenn Titbury bei seiner Weigerung blieb, mußten die Spitzbuben ja im Stande sein, ihn auszubeuteln. Und wenn sie nun sein Geld wegnahmen und ihn dann sammt Frau Titbury in den Crescent River warfen, würde wohl, da kein Mensch etwas von ihrer Anwesenheit in der Stadt wußte, auch nur ein Hahn darum krähen?
Titbury blieb jedoch hartnäckig. Vielleicht erschien ihm Hilfe… eine Abtheilung Miliz, die auf der Straße hinmarschierte, oder wenigstens einzelne Passanten, die er anrufen konnte. Vergebliche Hoffnung! Eine Minute später wurden beide in ein Zimmer geführt, dessen Fenster nach einem geschlossenen Hofe zu lag. Der grimmige Gastwirth brachte ihnen dann etwas zu essen. Es war gewiß nicht zu viel verlangt, im Cheap Hotel für einen Tagespreis von tausend Dollars nicht blos beherbergt, sondern auch verpflegt zu werden.
Unter diesen Verhältnissen verstrichen vierundzwanzig, vergingen achtundvierzig Stunden. Wie die
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