Das Testament eines Excentrischen
hat, so hochachtbare Personen wie Sie mit solcher Rücksichtslosigkeit öffentlich anzusprechen, und an Ihnen, mein Herr, ist es nun, jenen – und natürlich auch alle übrigen – in der Partie gründlich zu besiegen!«
Es hätte einer ein ganz ungebildeter Tropf sein müssen, die guten Wünsche eines so höflichen, so zuvorkommenden Herrn nicht freundlich aufzunehmen, die Theilnahme eines Gentlemans, der sich für den Erfolg des Herrn und der Frau Titbury so sichtlich interessierte, abzulehnen.
Wer war denn der Mann?… Ein gewisser Robert Inglis aus Great Salt Lake City, der am nämlichen Tage dahin zurückkehren wollte, ein Handelsagent, der von dem Lande, das er viele Jahre nach allen Seiten bereist hatte, gründliche Kenntniß hatte. Nachdem er seinen Namen und Beruf genannt hatte, erbot er sich sehr höflich, das Titbury’sche Ehepaar zu führen und ihm auch ein passendes Hôtel nachzuweisen.
Wie hätten sie die guten Dienste des Herrn Robert Inglis abweisen sollen, zumal da dieser erklärte, daß er eine große Summe auf den Sieg des dritten Partners gesetzt habe. Er ergriff das Handgepäck der Frau Titbury und brachte es in einen der Waggons, die nach Ogden abgehen sollten. Herr Titbury fühlte sich sehr angenehm berührt, vorzüglich auch, weil Herr Robert Inglis den Galgenstrick von Maler gern nach Gebühr behandelt gesehen hätte. Im übrigen konnte er sich nur beglückwünschen, einen so liebenswürdigen Reisegenossen, der ihm auch in der Hauptstadt von Utah als Führer dienen wollte, so unerwartet gefunden zu haben.
Alles ließ sich also aufs beste an. Die Reisenden nahmen zusammen in einem Waggon Platz, und niemals war ihnen die Zeit so schnell vergangen, wie bei dieser, freilich nur fünfzig Meilen (80 Kilometer) langen Fahrt.
Herr Inglis war ebenso interessant wie unerschöpflich. Der vortrefflichen Dame schien es vorzüglich zu gefallen, daß er das dreiundvierzigste Kind einer Mormonenfamilie war, wohl zu merken, vor der Zeit, wo der Präsident der Vereinigten Staaten die Vielweiberei gesetzlich verboten hatte.
Das darf nicht wundernehmen, da z.B. der Apostel Herbert Kimball, der erste Kirchenrath, bei seinem Ableben dreizehn Frauen und vierundfünfzig Kinder hinterlassen hatte. Hoffen wir nur, daß der Berichterstatter der »Tribune«, Harris T. Kymbale, wenn ihn der Zufall je nach Utah verschlug, sich an seinem Namensvetter kein Beispiel nehmen möchte. Uebrigens schreiben sich beide Namen ja nicht gleich, und außerdem ist es in Great Salt Lake City verboten, Polygame zu sein, selbst wenn man ein »Korangläubiger« wäre.
Wenn die Unterhaltung den Titburys gefiel, lag es daran, daß man sich einen liebenswürdigeren Erzähler als Herrn Inglis gar nicht denken konnte. Offenbar wünschte er die Zeit zurück, wo die Mormonenkirche noch in vollem Glanze strahlte. Er pries die Vorzüge dieser Religion, der »besten«, die durch »den Geist Gottes« je offenbart worden sei. Er sprach von Joseph Smith, der 1830 seinen Prophetenberuf erkannte, die goldenen Tafeln mit den göttlichen Gesetzen des Mormonismus entdeckte und der später unter ruchloser Mörderhand endete. Er schilderte greifbar den Auszug der »Heiligen der letzten Tage«, die zuerst in New York, dann in Illinois, später in Ohio und endlich in Missouri gesiedelt hatten. Dann verbreitete er sich mit tiefempfundenen, begeisterten Worten über Brigham Young, den Papst und Vorsitzenden der Kirche, der, allen Mühen, allen Gefahren trotzend, die Gemeinde in die Nachbarschaft des Großen Salzsees führte und hier 1847 Neu-Jerusalem gründete.
Verdiente die heilige Stadt denn nicht diesen Namen ebenso wie den Namen Jordan der Fluß, an dessen Ufern sie, etwa zehn Meilen (16 Kilometer) vom Salzsee, erbaut ist? Zur Zeit seiner Blüthe zählte der Staat ja nicht weniger als hundertfünfundvierzigtausend Gläubige, von denen heute freilich der größte Theil nach einem ihnen von Mexiko überlassenen Gebiete ausgewandert ist. Die Verfolgungen wurden nämlich immer schlimmer, denn die Bundesregierung – Herr Inglis äußerte sich darüber freilich nicht – erkannte recht wohl, daß Utah mehr darauf ausging, ganz unabhängig zu werden, als gerade nach den Regeln des Mormonismus zu leben. Darum ließ der General Grant 1871 auch den Papst und die Apostel der Kirche verhaften, stellte das alte Land der Utahs wieder unter die Verwaltungsbehörden der Union und untersagte gleichzeitig im Namen der öffentlichen Moral die Polygamie, selbst wo
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