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Das Testament eines Excentrischen

Das Testament eines Excentrischen

Titel: Das Testament eines Excentrischen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Cheap Hotel ihnen gefiele, und folgten dem Herrn Inglis, der den Handkoffer und die Reisedecke der »vortrefflichen, hochachtbaren Dame« mit Gewalt hatte selbst tragen wollen.
    Der Weg führte durch die niedriger gelegenen Theile der Stadt, von der die Titburys bei der schon herrschenden tiefen Dunkelheit nichts sehen konnten, hinunter nach dem rechten Ufer eines Flusses, nach der Angabe des Herrn Inglis des Crescent River, und zog sich etwa drei Meilen (fünf Kilometer) weit hin.
    Die Titburys mochten ihn wohl etwas lang finden; in der Erwartung aber, daß das Hôtel um so billiger sein werde, je weiter es von der Stadt läge, fiel es ihnen gar nicht ein, sich darüber zu beklagen.
    Halb neun Uhr endlich und, wegen des bedeckten Himmels, in vollständiger Finsterniß langten die Reisenden vor einem Hause an, dessen Aussehen sie jetzt nicht zu beurtheilen vermochten.
    Bald darauf führte sie der Gastwirth – ein Mann mit recht wildem Gesichtsausdruck – in ein Zimmer des Erdgeschosses, das weiß ausgetüncht und nur mit einem Bett, einem Tische und zwei Stühlen ausgestattet war. Das genügte ihnen jedoch vollständig, und sie bedankten sich noch bei Herrn Inglis, der sich mit dem Versprechen, sie am kommenden Morgen abzuholen, verabschiedete.
    Sehr ermüdet, und nachdem sie etwas von den in der Reisetasche mitgeführten Mundvorräthen verzehrt hatten, legten sich Herr und Frau Titbury zu Bett. Bald Seite an Seite eingeschlafen, träumten sie davon, daß die Vorhersage des freundlichen Herrn Inglis in Erfüllung ging und sie durch den Ausfall des nächsten Würfelns um zwanzig Felder vorwärts kämen.
    Sie erwachten nach erquickender Ruhe erst gegen acht Uhr und erhoben sich langsam, da sie ja nichts anderes vorhatten, als ihren Führer zu erwarten, um mit ihm die Stadt zu besuchen. Die Neugierde trieb sie dazu freilich nicht im geringsten, doch glaubten sie, das Anerbieten des Herrn Inglis, ihnen die Merkwürdigkeiten der großen Mormonenstadt zu zeigen, nicht abschlagen zu dürfen.
    Um neun Uhr war noch niemand da. Fertig zum Ausgehen, sahen Herr und Frau Titbury zum Fenster hinaus, das nach der Landstraße vor dem Cheap Hotel zu lag.
    Diese Straße, so hatte ihnen ihr zuvorkommender Cicerone gesagt, war die alte »Emigrants road«, die sich am Crescent River hinzog. Hier rollten einst die großen Frachtwagen mit allerlei Waaren hin, die nach den Lagern der Pionniere bestimmt waren und die der Bull-waker (der Ochsentreiber) führte… zu jener Zeit, wo man noch mehrere Monate brauchte, von New York aus die westlichen Gebiete der Union zu erreichen.
    Cheap Hotel mußte recht vereinzelt liegen, denn als sich Herr Titbury zum Festern hinausbog, gewahrte er kein Haus, weder auf dieser, noch auf der anderen Seite des Flusses. Nur eine dunkle Masse grünenden Fichtenwaldes zog sich an den Abhängen eines hohen Berges hinaus.
    Auch um zehn Uhr hatte sich noch niemand blicken lassen. Herr und Frau Titbury singen an ungeduldig zu werden, und auch der Hunger machte sich bei ihnen fühlbar.
    »Wir wollen nun allein ausgehen, sagte der eine.
    – Ja… wozu noch warten?…« sagte die andere.
    Die Thür ihres Zimmers aufstoßend, betraten sie einen Mittelraum, ein richtiges Schänkzimmer, das den Eingang gleich von der Straße aus hatte.
    Hier auf der Schwelle standen zwei schlecht gekleidete Männer von wenig Vertrauen erweckendem Aussehen und mit vom Alkoholgenuß gläsern erscheinenden Augen, die offenbar die Thür bewachten.
    »Hier kommt niemand hinaus!«
    Dieser Zuruf war in grobem Tone an Herrn Titbury gerichtet.
    »Wie?… Man darf hier nicht hinaus?…
    – Nein… erst bezahlen!
    – Bezahlen?…«
    Dieses Wort war von allen Wörtern der englischen Sprache gerade das, das Herrn Titbury am wenigsten gefiel.
    »Bezahlen?… wiederholte er. Bezahlen, um ausgehen zu dürfen?… Das ist wohl nur ein Scherz!«
    Frau Titbury dagegen faßte, von einer plötzlichen Unruhe ergriffen, die Sachlage nicht in gleicher Weise auf, sondern fragte:
    »Wieviel?
    – Dreitausend Dollars!«
    Diese Stimme erkannte sie sofort… es war die des gefälligen Robert Inglis, der jetzt am Eingange des Gasthauses auftauchte.
    Herr Titbury wollte, weniger scharfsinnig als seine Frau, die Sache noch immer von der heiteren Seite nehmen.
    »Ah, rief er, das ist ja unser Freund von gestern!
    – In Person vor Ihnen, antwortete dieser.
    – Und immer noch in vortrefflicher Laune?…
    – Immer.
    – Wahrhaftig, diese Forderung von dreitausend

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