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Das Testament eines Excentrischen

Das Testament eines Excentrischen

Titel: Das Testament eines Excentrischen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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der Felsenberge gesehen, die der Sierra Madre im höchstgelegenen Theile Amerikas, die Urgesteinmassen, die sich auf einer Bodenfläche von dreihundertfünfundsiebzig Meilen (571 Kilometer) Seitenlänge aufthürmen. Außer Rußland könnte man fast die größten Staaten Europas darauf unterbringen. Das wahrhafte Rückgrat Nordamerikas, das mit seinen westlichen Ausläufern ein Viertel der Vereinigten Staaten bedeckt Nehmt die Alpen, die Pyrenäen und den Kaukasus zusammen, und das reichte noch nicht aus, die Felsengebirge aufzubauen!
    Keine Zeit gehabt, nach dem Sainte-Croixberge zu gehen, der das Nordende der nationalen Bergkette bildet und 1873 von Hayden und Whitney bei deren Forschungsreise durch diese Gegend seinen Namen erhielt. Bin aber durch die Pforte des Gartens der Götter in diesen selbst (vier Meilen von Colorado Jonction) eingedrungen, einen Park ohnegleichen, dessen Felsbildungen versteinerten Riesen einer antediluvianischen Familie ähneln, und bin am Fuße des Teocalli hingewandert, der eine Art Burggrafenschloß darstellt, das in der lustigen Höhe von zweitausendfünfhundert Fuß (762 Meter) erbaut wäre.
    Ich darf jedoch nicht säumen, nicht vergessen, daß der Gouverneur von Colorado und nicht wenige seiner Beamten, soviel ich weiß, auf mich gewettet haben. Am 26. also nach Denver zurückgekehrt, die Baustelle meines zukünftigen Landsitzes besichtigt, die von prächtigen Baumriesen an einem Arm des Cheery Creek beschattet wird.«
    Harris T. Kymbale hat im Vorstehenden der Hauptstadt Colorados und dem gleichnamigen Staate nicht zu viel Schönes nachgesagt. Doch wie viel Blut hat der Boden dieses herrlichen Landes getrunken! Vor 1867 lagen hier die ersten Ansiedler in stetem Kampfe mit den Cheyennen, den Arrapahoen, den Kaysways, den Comanchen, Apachen und anderen wilden Sippen der Rothhäute, die von grausamen Häuptlingen, wie Schwarzer Kessel, Weiße Antilope, Linke Hand, Verrenktes Knie, Kleiner Mantel u. a., angeführt wurden. Wer könnte je die schrecklichen Metzeleien von Sand Creek vergessen, die 1864 den Weißen unter Führung des Oberst Chivington zuerst die Herrschaft im Lande sicherten?
    Den Nachmittag des 26. verbrachte die grüne Flagge in der glänzenden Hauptstadt. Hier war im Regierungspalaste zu Ehren des Reisenden eine große Gesellschaft versammelt worden. In den Vereinigten Staaten mißt man den Werth eines Mannes bekanntlich an seinem Vermögen, und in der Meinung der Coloradier wie seiner eigenen Ansicht nach war Harris T. Kymbale sechzig Millionen Dollars werth. Er sah sich also von den prunkliebenden Amerikanern seinem Verdienste entsprechend gefeiert, von den Leuten, die Gold nicht nur in ihren Geldschränken, in ihren Taschen und ihrem Erdboden besitzen, sondern es auch noch in den Namen ihrer bedeutendsten Städte haben!
     

    Harris T. Kymbale erhob den Revolver bis zur Stirnhöhe. (S. 294.)
     
    Am nächsten Tage, am 27. Mai, verabschiedete sich der vierte Partner vom Gouverneur, inmitten eines großen Zusammenlaufes ihm zujubelnder Leute. Der Zug verließ Denver, erreichte die Grenze beim Fort Wallace, durchmaß Kansas von Westen nach Osten, rollte dann durch Missouri an dessen Hauptstadt Jefferson City vorüber und hielt endlich an seinem östlichen Ziele am Abend des 28. im Bahnhofe von Saint-Louis.
    Harris T. Kymbale beabsichtigte nicht, in dieser großen, ihm schon bekannten Stadt zu verweilen, und hoffte auch, durch die Wechselfälle des Spieles niemals hierher verwiesen zu werden, denn die Stadt entsprach dem zweiundfünfzigsten Felde, d. h. im Edlen Gänsespiele dem des Gefängnisses. Ueberdies versprachen ihm die Staaten, die er vor dem Eintreffen in Südcarolina berühren mußte, Tennessee, Alabama und Georgia, weit lohnendere Ausflüge. So erwählte er sich also nur eines der besten Hôtels von Saint-Louis, um hier eine Nacht der ihm recht nöthigen Ruhe zu pflegen und am nächsten Tage mit dem ersten Zuge weiter zu fahren.
    Nichts schien seine Reise stören oder ihn verhindern zu sollen, am bestimmten Tage in Charleston zu sein. Und doch wär’ er beinahe nicht rechtzeitig dort eingetroffen, ja es ihm fast unmöglich geworden, je wieder zu reisen, und zwar infolge eines Zwischenfalles, den kein Mensch hätte voraussehen können.
    Gegen siebeneinviertel Uhr schlenderte Harris T. Kymbale auf dem Perron des Bahnhofes dahin, um sich über die Abfahrtszeiten der Züge zu unterrichten, als er plötzlich an ein Individuum, das aus einem der Bureaus heraustrat,

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