Das Testament eines Excentrischen
Zulauf noch größer geworden.
Max Real wartete auch die Dunkelheit ab, ehe sie ins Hôtel zurückkehrten, und nach Einnahme einer letzten Mahlzeit – mehr eines Abend-als eines regelrechten Mittagessens – trennten sich die Drei, um von der Anstrengung eines so angenehm verlebten Tages auszuruhen.
Um zehn Uhr betraten Lissy Wag und Jovita Foley ihr Zimmer, und Max Real zog sich in das seinige zurück. Tommy schlief in einer Kammer daneben. Und während die eine sich »von Silber und Gold gleißenden« Träumen überließ, begegneten sich die beiden anderen vielleicht in ganz gleichen Gedanken, ohne den Schlummer zu finden. Ja, beide dachten nur an die Heimkehr nach Chicago, an die Verwirklichung ihrer innigsten Wünsche. Sie sagten sich, daß diese Partie hiermit noch nicht endigen werde… daß sie schon sieben Wochen dauere… daß vielleicht in wenigen Tagen die Koffer wieder gepackt werden müßten… daß noch Hunderte von Meilen sie trennten… daß es wohl am besten sei, zu verzichten u. dgl. m. Zum Glück konnte weder Jovita Foley noch Frau Real diese ketzerischen Gedanken hören.
Max Real hatte obendrein beim Studium der Karte des Matches noch recht unangenehme Ergebnisse erhalten. Von den sieben Staaten, die nach der Karte Hypperbone’s zwischen Indiana und dem Endpunkte Illinois lagen, gehörten fünf, alle weit von einander entfernt, dem westlichen Theile der Union an und waren nur mangelhaft mit Eisenbahnen versehen, wie Oregon, Arizona, das Indianer-Territorium, ohne von dem achtundfünfzigsten Felde, dem Death Valley, dem Thale des Todes, zu reden, das durch die Erlebnisse des Commandore Urrican zu trauriger Berühmtheit gelangt war. Lissy Wag brauchte beim nächsten Würfeln nur zwei Augen zu bekommen, so mußte sie, nach langer, mühseliger Reise nach Californien, die Partie von vorne anfangen. Fielen ihr beim nächsten Wurfe also nicht gerade sieben Augen zu, so lief sie Gefahr von Indiana sehr weit weg verwiesen zu werden und sicherlich vielerlei Fährlichkeiten ausgesetzt zu sein.
Lissy Wag selbst dachte gar nicht an derlei drohende Möglichkeiten. Sie beschäftigte sich nur mit der Gegenwart, nicht mit der Zukunft. Sie ging ganz in dem einzigen Gedanken auf, daß Max Real in ihrer Nähe sei… Freilich, nur noch wenige Tage, und beide sollten wieder von einander scheiden.
Endlich verstrichen auch die letzten Nachtstunden, und mit dem Erwachen am nächsten Morgen waren alle trüben Bilder verblaßt.
»Was beginnen wir nun heute? fragte Jovita Foley, als Lissy Wag und sie mit Max Real am Frühstücktische saßen. Wir haben, wie es scheint, einen herrlichen Tag zu erwarten. Etwas Wind und Sonnenglanz, das ladet zu einem Spaziergange ja geradezu ein. Sollten wir uns nicht ein wenig außerhalb der Stadt ergehen?… Indianopolis ist ja sehr regelmäßig angelegt, sehr schön und sehr sauber, man sagt aber, seine Umgebungen sollen ganz prächtig sein. Könnten wir nicht auf einer Bahnlinie ein Stück hinausfahren und auf einer anderen zurückkehren?«
Dieser Vorschlag verdiente wohl einige Beachtung. Max Real sah in einem Fahrplane nach, und die Sache ordnete sich zur allgemeinen Befriedigung.
Man einigte sich dahin, die Linie zu benutzen, die am White River nach der Station Spring Valley, eine Strecke von etwa zwanzig Meilen, hinführt, und beschloß, auf einer beliebigen anderen Linie zurückzufahren. Das heitere Klee-blatt brach also auf, ließ diesmal aber Tommy im Hôtel zurück.
Waren nun auch Max Real und Lissy Wag zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um auf irgend etwas anderes zu achten, so hätte doch Jovita Foley fünf Individuen bemerken müssen, die ihnen seit ihrem Weggange gefolgt waren. Diese Gestalten folgten den Dreien nicht nur bis zum Bahnhofe, sondern bestiegen auch mit ihnen denselben Zug, wenn nicht gar denselben Waggon, und als Max Real und die beiden Freundinnen diesen in Spring Valley verließen, stiegen jene ebenfalls aus.
Das alles erregte keine Aufmerksamkeit bei Jovita Foley, die durch die Waggonfenster hinaussah, wenn sie nicht gerade Max Real und Lissy Wag im Auge hatte. In der Besorgniß, beobachtet zu werden, hielten sich die Männer auch vorsichtig zurück und trennten sich beim Verlassen des Bahnhofes.
Max Real, Lissy Wag und Jovita Foley schlugen nun einen Weg ein, der sie nach dem Ufer des White River führen sollte und so leicht zu verfolgen schien, daß sie nicht zu befürchten brauchten, sich vielleicht zu verirren.
Eine Stunde lang wanderten sie
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